Sonntag, 25. März 2012

Näh-Lemminge

Näh-Lemminge, so bezeichnet eine Bloggerin die nähfreudige Blog-Gemeinde.
Ausufernde Maschinenparks, Ordner voller Schnittmustersammlungen Regalreihen lang (alle dieselben von denselben angesagten Schnittdesignern), Software, Stickdateien.
Immer der Zwang, den Nähikonen alle Neuheiten zeitnah nachzuarbeiten.
Immer die optimale Auslastung aller angeschafften Näh- und Stickmaschinen, Kleiderschränke voller Kleidung, selbstgenähter, die man vielleicht nur genäht hatte, um dieselben auf einer Linkparty zu präsentieren.
Die einem nicht mal besonders gefällt... aber um up to date zu sein, angesagt, besser noch, um viele Leser zu haben und viele Seitenzugriffe, um vielleicht über Adsense Geld zu verdienen - dafür nimmt man schon einiges in Kauf.
Ich konnte hier Selbstbeschauen lesen - Ansammlungen von wahren KILOMETERN an Stoffvorräten, was in eine normale Wohnung schon gar nicht mehr hineinpaßt, Bekenntnisse von Stoffkaufsüchtigen, die meine eigenen bescheidenen Vorräte von insgesamt vielleicht 15 Meter Stoff (mit Reststücken) sehr klein aussehen lassen.
Erschütternd ist das - und wird aufs Schönste und Erfolgsreichste - aus der Sicht der Industrie, die den DIY-Trend vor Jahren neu erfand und seitdem kräftig angekurbelt hat - nach Strich und Faden ausgebeutet.
Wie eine andere Bloggerin anmerkte: Trends kommen und gehen, und bevor dieser hier vorbei ist, muß noch kräftig abkassiert werden, koste es, was es wolle.

Was hat diese "Kreativitäts-Industrie" denn noch mit Kreativität zu tun?
Kreativ bin ich, wenn ich mir selbst etwas ausdenke, meinetwegen auch mir dazu die Idee eines anderen zuhilfe nehme und daraus etwas eigenes entwickle.
Kreativ bin ich, wenn ich etwas völlig neues erfinde - oder etwas altbekanntes mit völlig neuen Mitteln (die sogenannte "Not macht erfinderisch"-Methode) auf die Beine stelle.
Ich bin nicht kreativ, wenn ich einfach stur und ohne (viel) nachzudenken eine Anleitung abarbeite. Wenn ich andere für mich den Denk- und Erfindungsprozeß tun lasse. Wenn ich mir auch noch Vorschriften machen lasse (sogenannte Stoffempfehlungen), welches Material man am besten verwende. Wenn ich lediglich aus einer Vielzahl von Designs eines auswählen darf. Das hat mit Kreativität ÜBERHAUPT nichts zu tun!
Aber genau das ist alles, was mir von der Kreativitätsindustrie zugestanden wird.

Mich stört an der ganzen Sache noch etwas ganz besonders:
Die Ausmaße, die die kommerzielle Bedeutung der ganzen Do-it-yourself-Bewegung angenommen hat.
Die sklavische Ergebenheit, mit der den "Trends" in der DIY-Szene gefolgt wird.
Momentan scheinen es Stickdateien zu sein, irgendwelche teure bedruckte Stoffe (Beispiel "Chirpy") sowie Eulen in allen Erscheinungsformen.
Die eigentliche Intention des Do it yourself war es doch, daß man sich mit seiner eigenen Hände Arbeit in gewissem Maße von gekaufter Ware unabhängig macht. Daß man Erfolgserlebnisse in Form von selbstgemachten Dingen in Händen hält.
Aber momentan? Man näht, um ein Foto davon zu machen und sich im Netz zu präsentieren. Man strickt, um dasselbe zu tun. Man kauft Meter um Meter Stoff, um immer für alle eventuellen Ideen gerüstet zu sein - die dann doch nicht kommen, weil man so an Anleitungen und (teure) Designerschnittmuster gewöhnt ist, daß man das Selberdenken und Selberausdenken verlernt hat.

Alsooo - ich persönlich nähe nur das, was ich auch wirklich trage.
Jeans, Shirts, Unterwäsche, Mantel und Jacken. Mütze. Für meine Familie das gleiche.
Mein Kleiderschrank ist extrem übersichtlich - eine Kleiderstange von 80 cm Länge reicht mir VÖLLIG. Keine Schrankleichen... :-)
Mein Einkauf in Stoffläden geht streng nach Einkaufszettel und Bedarf vonstatten.
Und ja, ich kaufe AUCH Schnittmuster und Modehefte. Und verwende auch Ideen oder auch gleich ganze Schnittmuster. Da ich leider keine Schnittdirectrice bin... es reicht aber zum Anpassen an die persönlichen Körpermaße. Trendschnittmustern laufe ich prinzipiell schon nicht hinterher... ich finde es im Gegenteil immer befremdlicher, wenn ich in irgendwelchen Blogs lese, jemand hat eine neue abc von def genäht mit Stoffen von hij und klm.
Hat was genäht?
Woraus? Von wem das Schnitmuster?
Ist den Schreiberinnen eigentlich klar, daß sie sich anhören (bzw. -lesen), wie Modejournalisten, die über eine RedCarpetGala berichten? Dame A in Robe von B&C, Dame B in Hosenanzug von E´R, Dame C und D in Kostümen von R´n´B...  Das liest sich auf diversen Blogs ganz genau so! :-) ... und sie scheinen sich toll zu fühlen dabei, vollkommen up to date. Cool, wenn man sowas schreiben kann, oder?
Brech... Würg... Schnarch.
Ich breche diesen Text hier ab.
Mir wird sonst ernstlich schlecht - und ich wollte morgen noch auf den Stoffmarkt gehen...

Wie immer, entschuldige ich mich an dieser Stelle, falls ich jemandem zu nahe getreten sein sollte.
Dieser Blog und die Einträge darin sind nun mal manchem unbequem und ein Dorn im Auge - aber das ist nun mal - schönes Wortspiel - Geschmacks-Sache.
HAVE FUN!

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