Montag, 25. Februar 2013

Nicht genug Flügel für alle

gefunden auf einer Seite, die sich mit Mutismus befaßt. 
Mutismus = Stummheit, psychisch bedingtes Schweigen, Kommunikationsverweigerung durch Sprache.
Manche Menschen können sich besser ausdrücken, andere weniger gut. Vor allem die gesprochene Kommunikation stellt viele vor große Hürden, es wird als schwierig empfunden, sich laut zu äußern - und man verfällt ins Schweigen. Zum Glück gibt es noch die Schriftstprache!
Nicht genug Flügel für für alle
zwei kinder blickten zum himmel und sahen
einen engel sich ihrem dachboden nahen.
da liefen sie heimlich zur feuerleiter,
stiegen nach oben hinauf, immer weiter,
zum fenster hinein in die dunkelheit,
staubig wars, kein mensch weit und breit.

doch da in der ecke das weisse - fürwahr,
ein abgelegtes flügelpaar...
eben, kinder eben!
engel ist man nicht immer im leben.
doch stehlen darf man in keinem falle,
es gibt nämlich nicht genug flügel für alle.

hoch in den himmel wollten sie fliegen,
jetzt konnten sie dazu die flügel kriegen.
sie wagten sich nicht, denn man hat sie gelehrt,
dass zum leben ein wort wie "verboten" gehört.

die beiden kinder wuchsen heran
und ihre wege trennten sich dann.
der eine wird bulle, der andere gangster,
und jeder denkt oft wehmütig an das fenster...

eben, kinder eben!
engel ist man nicht immer im leben.
doch stehlen darf man in keinem falle,
es gibt nämlich nicht genug flügel für alle.

Ein Gedicht aus dem Buch "Wächter des Tages" von Sergej Lukianenko (ein Liedtext einer russischen Band - ob echt oder erfunden ist wohl egal). 

Wie man sich ausdrücken kann, wenn einem selbst die Worte fehlen, ist nicht so einfach. Manchmal findet man etwas passendes in der Literatur, in Büchern, Romanen, Gedichten und übernimmt es für sich.
Ich kann mich auch wesentlich besser in Schriftform ausdrücken, tue es auch lieber anstelle des Redens.

Das Gedicht hat in mir eine Saite angerührt, weswegen ich es teilen möchte.
Es ist leider keine hohe Poesie :-) , deswegen bitte ich um Vergebung. Es ist der Inhalt, der zählt. Und das Gefühl, was es (in mir und vielleicht auch in anderen) hervorruft.
Grüße, Sathiya
.

Montag, 18. Februar 2013

Der Mann im Wald 2

Es ist nicht einfach. Überhaupt nicht, in keiner Weise. Ich hatte mir das anders vorgestellt. Hingehen, freundlich fragen, anbieten, meine Sachen loswerden, winkend gehen. So geht es nicht.
Die Würde des Menschen ist unantastbar, und ich hätte sie auf diese Art sowas von angetastet... vergewaltigt mit meinem Gutmenschentum.

Ein altes germanisches Sprichwort sagt: wer einem Menschen in Not hilft, ist sein Leben lang für ihn verantwortlich.
Unter diesem Aspekt sehe ich das und ich sehe nicht, wie ich kurzzeitig helfen kann, ohne mir die Verantwortung für ihn aufzuladen. Was ich nicht kann, und auch nicht will, und ich bin mir sicher, auch er wollte das nicht.

"Einsamer Mann im Wald" (siehe Post von gestern) ist übrigens kein Euphemismus für einen Mann, auf den ich ein Auge geworfen hätte, beziehungs- oder liebestechnisch, den ich dann für alle Zeiten unterhaltsmäßig durchfüttern müßte, sondern einfach nur ein älterer obdachloser Mann. Dem ich helfen möchte, wenn ich nur wüßte wie, ohne seine Würde zu verletzen.

Ich ging, von Angst geschüttelt, um die Nachmittagszeit hin zu der Schutzhütte, in der Hand eine Tasche mit einer Kleinigkeit zu essen, einem Buch und einem Blister Aspirin. Heute ist es sonnig, bei 6 °C, ein schöner Tag, kühl, aber schön. Auf dem Weg wünschte und fürchtete ich, er wäre da, nicht da, lebendig, tot, schlafend, wach, alles auf einmal. Die Jüngste sprang fröhlich vor mir her.

Auf halbem Wege kam er uns allerdings auf der anderen Straßenseite entgegen (Erleichterung, er lebt!), mit seinen Taschen in der Hand, in Decken gewickelt, stumpf vor sich hin sehend. Auf dem Weg zum Supermarkt, wo er manchmal etwas einkauft (wovon, frage ich mich wieder einmal), machte er einen Abstecher in ein Villengrundstück. Ich blieb stehen und schaute zu. Er suchte unter der Außentreppe herum. Hatten ihm die Eigentümer die Erlaubnis gegeben, dort gelegentlich seine Taschen abzustellen? Oder die leeren Flaschen einzusammeln und das Pfand einzulösen? Ich weiß es nicht, ich traute mich nicht, ihn anzusprechen. Und er lief weiter, normalen Schrittes, mit seinen Taschen, von fern nicht ernstlich krank wirkend.
Tja. Feige warst du, Sathiya, prima. Wie erklärst Du es Deiner Jüngsten?!
Wir machten uns trotzdem auf den Weg zur Schutzhütte. Ich wollte die Sachen dort lassen, die ich für ihn eingepackt hatte. Er kehrt für die Nacht dahin zurück, und wenn nicht, dann sicher morgen.

Dort angekommen, weit und breit keine Spur, auch keine Hinterlassenschaften gleich welcher Art in der Hütte. Es ist, als ob er nie dagewesen wäre. Immerhin lebt er noch, beruhige ich mich und meine Jüngste, und allzu krank sei er auch nicht, sonst hätte er ja nicht weggehen können. Es hätte aber auch sein können, daß ein anderer Mann, ein weiterer Obdachloser krank und halbtot auf der Bank hängt.
Und nun? Mit Tränen in den Augen und auf eine beschämende Art erleichtert, kam ich wieder nachhause. Die Sachen habe ich auf die Bank im Innern der Hütte gelegt, ich hoffte, das sei eine Möglichkeit, sie sicher dazulassen. Ich habe allerdings Angst, jemand würde sie stehlen oder gar wegwerfen.

Ich gehe morgen noch einmal hin.

Zutiefst unsicher, was zu tun ist und was das richtige sei, Sathiya


Warum lebt ein Mensch in den Wäldern, als Obdachloser? Ist es seine eigene Entscheidung gewesen, oder eine Frage der Notwendigkeit? Ist es ein freiwilliger Ausstieg aus der Gesellschaft, die die Menschen gnadenlos nach Effizienz und Nützlichkeit bewertet? Oder Zwang? Lebt er seine Freiheit - eine Freiheit VON ALLEM - oder erduldet er sie? Fragen über Fragen. Ich möchte ihn das gern fragen, aber was würde ich mit den Antworten anfangen? Wie würden sie mich verändern, und auch den Mann, der sie mir gibt?
Es gibt einen anderen Mann in den Straßen, noch jung, schmal, mit wilden Haaren und durchdringenden Augen. Sieht aus wie Jesus, wirklich wahr. Vielleicht ist er´s ja, wer weiß... 

Da er nicht dort war, habe ich Zeit, mir Gedanken zu machen und mich in meine Angst hineinzusteigern. Was sage ich, wenn ich von ihm gefragt werde, warum ich die Tasche mit Essen mitgebracht habe? Ob ich mein Gewissen beruhigen wolle oder ernsthaft helfen? Ob ich jemanden in seinem Elend verhöhnen wolle oder ob ich meine Lebensweise ihm aufzwingen wolle? Ob ich ihn für unglücklich halte, weil er nichts habe, und was ich ihm geben wolle, damit er wieder glücklich sei? Ob ich mich für was besseres hielte?
Doch was hätte ich getan, wenn er dagewesen wäre? Wie hätte ich ihm die Sachen angeboten? Ich hätte sie ihm ja nicht wie einem Hund hinwerfen können. Wie achtet man die Würde eines Menschen in einer solchen Situation?

Ich habe wieder an das Märchen vom Sterntaler gedacht. Ein Mädchen geht, von allen Menschen verlassen, in die Welt und weiß nicht wohin, und hat nichts außer den Kleidern, die sie am Leib trägt, und einen Kanten Brot. Da begegnen ihr verschiedene Leute, die sie alle um etwas bitten, was sie ihnen auch überläßt, bis sie schließlich auch das letzte Hemd hergibt. Nun hat sie gar nichts mehr außer sich selbst, und da läßt Gott die Sterne herabregnen, daß sie über und über damit bedeckt ist. Sie mußte erst alles hergeben, bevor sie etwas bekommen konnte. Ist das die Geschichte hinter dem einsamen Mann im Wald?
Sathiya spinnt, denken nun manche. Vielleicht ist das wahr. Eine romantische Verklärung vor lauter Angst, etwas falsch zu machen, wo der Mann doch einfach nur eine Wohnung, einen Job und eine Familie bräuchte (wirklich? das frage ich mich eben). Oder für den Anfang einen Winterunterschlupf. Aber was ich auf jeden Fall mache: ich informiere mich über die städtischen/kirchlichen/privaten Projekte, Obdachlose betreffend. Davon weiß ich viel zu wenig.


Liebe Gerlinde und castagir, danke für Eure Kommentare und Mails. Ich bin zutiefst dankbar, daß es euch nicht egal ist, vor allem Danke für Deine praktischen Ratschläge, Gerlinde. Ich hoffe, beim nächsten Mal, wenn ich ihm begegne, mehr Mut zu haben.

Sonntag, 17. Februar 2013

Der Mann im Wald

Wir sind heute spazierengegangen, durch den Wald auf den Hausberg Wiesbadens, den Neroberg. Eine schöne, wegen des nassen Bodens ziemlich rutschige Kraxelei. Der Wald sieht schön aus, licht, ein alter Buchenbestand mit prachtvollen Bäumen. Im Wald stehen verteilt Schutzhütten - eine Art überdachte Veranda mit einer Rückwand, offenen Seitenwänden und einer Bank, meist an Stellen mit schöner Aussicht oder sonstwie herausgehoben. Eine schöne Sache! Während eines Ausfluges oder Spazierganges kann man sich darin niederlassen und vespern oder einen Regenguß abwarten oder die Aussicht genießen.

Oder man wohnt darin.

Heute sind wir an einer Schutzhütte vorbeigekommen, in der ich schon öfter einen Mann habe sitzen oder schlafen sehen. Ich kenne diesen Mann, er kommt ab und zu abends in der Dunkelheit in die Stadt, um im Supermarkt seine kleinen Besorgungen zu machen. Er ist in eine Decke gehüllt, hat langes graues Haar und Bart, das im Haargestrüpp sichtbare Gesicht ist müde, verhärmt, hungrig, die Augen blaß, meist abgewandt. Außer in seine Decke ist er noch in eine Wolke von Gestank gehüllt. Im Wald kommt er nicht allzu oft dazu sich zu waschen, vor allem nicht im Winter.

Ich habe schon mehrmals versucht, ihm zu helfen, etwas anzubieten, aber er hat immer so getan, als ob ich Luft sei. Vielleicht habe ich auch nicht die richtigen Worte gefunden. Doch welches wären die richtigen Worte? Welche Worte würde ich in einer vergleichbaren Situtation hören wollen und wahrnehmen können?

Heute aber habe ich mich gefürchtet.
An der Hütte vorbeigehend, sahen wir ein Bündel da hocken, daneben eine Tüte mit Besitztümern, aber kein Lebenszeichen. Ich dachte erst, okay, er hat seine Sachen in der Hütte gelassen und läuft irgendwo herum. Dann überlegte ich, daß genau das nicht sein könne, denn es gibt Leute, die sich nicht scheuen, auch von den Ärmsten der Ärmsten zu stehlen, aus reinem Übermut (bestenfalls) oder reinster Bosheit (eher die Regel). Er mußte also dort sein, in unmittelbarer Nähe seines Eigentums. Nur, da war nur dieses Bündel, das mit einem Menschen wirklich nicht viel Ähnlichkeit hatte.

Meine Jüngste hatte Angst, sie flehte mich an, weiterzugehen, ohne genauer nachzusehen, und es auf sich beruhen zu lassen. Ich hatte auch Angst. Ich hatte große Angst, das reglose Bündel auf der Bank sei ein toter Mann... es gingen unterdessen mehrere Spaziergänger vorbei, die alle keinen oder allenfalls einen flüchtigen Blick in die Hütte warfen, und ich stand einfach nur da und war unschlüssig.
Dafür schäme ich mich. Ich schäme mich für mein Zögern, als ob das Bündel in der Hütte kein Mensch sei, und kein Recht darauf hätte, als Mitmensch wahrgenommen zu werden.

Ich ging näher und entschied, ja, das IST ein Mensch, eingewickelt in eine große Decke, mit Mütze auf dem Kopf und Plastikclogs an den Füßen, der mit tief auf die Brust gesunkenem Kopf schlief. Sein Rücken hob und senkte sich kaum merklich, was mich sehr erleichterte, wirklich. Saß da im Wald und schlief... bei 3°C, mitten im Wald, kein Segeltuch als Windschutz, kein Feuer, nur die Rückwand der Hütte und eine Bank.

Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich nachdem ich mich über seine Lebendigkeit vergewissert hatte, meine Jüngste an die Hand nahm und fortging. Ich hatte nicht den Nerv, zu ihm zu treten, ihn zu wecken und ihn zu fragen, ob und wie ich ihm helfen könne. Ich hätte ihm auch nicht wirklich helfen können, glaube ich,  ich hätte nicht gewußt, wie. Eine Unterkunft zu besorgen steht nicht in meiner Macht, und einen wildfremden Menschen zu mir und meinen Kindern mit nachhause zu nehmen, würde ich mir für den absoluten Notfall aufsparen, einen Schneesturm zum Beispiel.
Ich gehe morgen hin und spreche ihn an. Niemand muß im Wald in einer nach drei Seiten offenen Hütte hausen, ohne Windschutz, Feuer und Licht. Niemand.

Uns geht es viel zu gut. Und gleichzeitig sind wir Menschen, die ihren Nächsten schon längst nicht mehr lieben wie sich selbst. Ich wünschte mir, daß wir viel mehr Zivilcourage hätten und Nächstenliebe lebten anstatt nur fürs Rote Kreuz zu spenden. Davon bekommt leider der Mann im Wald keine Decke, keine Wärme  und kein Essen. Jemand muß es ihm bringen. Oder ihn dahin führen, wo er es warm hat, ohne Angst vor Dieben schlafen kann und zu essen bekommt.

Erschüttert, Sathiya

PS: Ich kann nicht alle retten und als barmherziger Samariter von der Straße auflesen, das ist mir vollkommen klar. Das wird auch kein vernünftiger Mensch von mir erwarten. Aber ich kann ihm helfen, dem einen einsamen Mann im Wald.

Freitag, 15. Februar 2013

Markenqualität

Das Elend mit den Marken.
Früh schon wird es anerzogen, geradezu antrainiert, ein Markenbewußtsein etabliert. Schon die Kleinsten wissen ganz genau, welche Marken ihren Lebensstil und den ihrer Eltern repräsentieren, sie erkennen es ganz genau und schon in jungem Alter. Man denkt sich erst mal nichts dabei, allenfalls ist man stolz, wenn ein Dreikäsehoch alle Autos an ihrem daranmontierten Blechschild erkennt - Mama, Audi! Mama, Bi-Emm-Wii! Mama, Vau-Weh! Papa, Mitschubischi! usw. zum allergrößten Entzücken der Eltern.

Das geht dann nahtlos weiter mit den Nahrungsmitteln, die im Supermarkt gekauft werden, und sowieso mit der Bezeichnung des Supermarktes an sich. Früher hieß es Minimal, jetzt Rewe, Aldi, Norma, Lidl, Real, Hit usw. samt den marktspezifischischen Spezialangeboten. Jedes Kind kennt und weiß schon von klein auf, was schmeckt und was nicht, vor allem, wenn es dazu in eine knallbunte Verpackung gehüllt ist, am besten noch mit Spielzeug dran und drauf und Gewinnspiel... Schmeckt nicht? Egal, Hauptsache die Folie drumherum ist bunt, das Auspacken macht ohnehin den größten Spaß. Wie beim Babybel-Mini-Käse. Das Auspacken war immer das Beste daran - der Käse selbst schmeckt nicht, läßt sich aber wunderbar als Flummi durchs Zimmer ploppen. Ist aber Markenkäse. So ein Käse.  :-)

Weiter mit den größeren Kindern mit Kleidung. Früher konnte man sich darauf verlassen, daß selbstgenähtes auch angezogen wurde - jetzt heißt es, das sei nur peinlich, mit selbstgenähten Sachen herumlaufen zu müssen. Das ist doch uncool! Marken müssen draufsein, doch ob das Zeug paßt oder nicht, wie lange es hält, ob es praktisch ist, scheint nebensächlich. Man will nicht uncool sein, das kann man sich nicht leisten, vor allem nicht in der Pubertät, wenn die Grenzen abgesteckt werden und zuviele Mitschüler viel zu viel Geld zur freien Verfügung haben, und damit protzen, sich alles leisten zu können, was sie wollen.
Momentan ist die Elektronik ein Statussymbol der Jugend, je teurer desto besser.
Wissen, Können, Talente? Nebensache. Geld und die damit erworbenen Staussymbole sind wichtiger. Aussehen? Ja, auch, wenn man damit Geld machen kann, wie als Model arbeiten oder einen reichen Mann abgreifen.

Das alles wirkt bis ins Erwachsenenalter hinein. Es erscheint sehr schwer bis geradezu unmöglich, sich davon zu befreien. Wir definieren uns zu sehr und zu ausschließlich über unser Äußeres, den äußeren Anschein, unsere Wirkung auf das außen. Das geht so weit, daß Frauen sogar bei sich zuhause den Bauch einziehen, wenn sie am Spiegel vobeigehen...
Dies alles macht es sehr schwer, sich mit Nicht-Marken irgendwo am Markt zu positionieren.

Als Handhersteller von Kleidung möchte ich keine "Marke" etablieren, die irgendwann nur um des Namens willen zum Selbstläufer wird, zum Schein statt Sein (wie bei vielen großen Marken in der Bekleidungsindustrie zu beobachten), sondern ich möchte Qualität bieten, gute handwerkliche und künstlerische Qualität. Ohne Marke. Einfach nur mein guter Name, meine Fähigkeiten und Können. Ich möchte auch meinen Namen nicht zu einer Marke machen. Aber ich bezweifle, ob das ohne Markenetablierung in den heutigen Markt- und Produktionsstrukturen überhaupt funktionieren kann. Da eine (eingetragene) Marke einem auch einen gewissen Schutz vor Nachahmern und Produktpiraterie bietet  - die aber ihrerseits auch nur deswegen, WEIL es eben Marken und Labels gibt, existieren

Markenqualität ohne Marke?!
Auf dem Markt wurde das auch schon lange erkannt: eine Sehnsucht der Kunden nach Markenqualität ohne Marke, es wurden No-Name-Labels erfunden - die aber ihrerseits schon wieder selbst eine Marke sind.
Ein Teufelskreis, wie es scheint. Undurchdringlich. Ein Labyrinth mit in Kreisform verlaufenden Gängen, die in sich selbst zurückführen. Und der Kunde muß unterscheiden lernen - ist deas jetzt eine echtes "no label"-Produkt oder eines, das kein Label dranmacht, weil es keines hat, oder irgendein no-name-Müll aus einer Plastikfarbrik?


Und nun das Pro: auch ich orientiere mich an Marken, um die Qualität abschätzen zu können. Angesichts der überbordenden Flut an Angeboten ist das auch wichtig, denn nicht jeder hat Zeit und Muße, aus über 2000 Angeboten Stück für Stück das richtige auszusuchen. Besonders bei Schuhen MUSS ich danach filtern - erst wenn die etablierten Marken kein akzeptables Ergebnis liefern, weiche ich auf mir unbekannte Hersteller aus (ein Drama in zehn Aufzügen - Kinderschuhe kaufen - da ich mir Maßschuhe für Kinder nicht leisten kann... und auch sonst niemand, den ich kenne). Man gibt dem Hersteller aufgrund seines Labels einen Vertrauensvorschuß, der sich dann bewährt oder auch nicht. Aber - mein Empfinden - je öfter es sich nicht bewährt, desto unlustiger wird der Kunde, dort noch mal einzukaufen. Und - subjektives Empfinden - daß aus dem Wort Marke sich automatisch Qualität erschließe, ist auch ein Märchen, dessen Glanz mehr und mehr verblasst.

Marken und Labels - ein Problem der Fertigkonfektion. Paßt einem das eine Label, hat man mit dem anderen Schwierigkeiten (naja, ich nun nicht, ich nähe ja selbst). Ich höre zu gern den Gespräche der Frauen zu, die sich über Paß- und Formprobleme des einen oder anderen Labels auslassen, und sich gegenseitig die Boutique xxx empfehlen, weil frau da in die Größe 36 passe, in anderen Marken würde frau ja die 40 oder gar 42 benötigen, das ginge ja gar nicht... sehr amüsant! :-))
Markenqualität?

Da wären wir wieder. Ein weites Feld, eines von vielen. :-)

Enjoy life, Sathiya

Mittwoch, 13. Februar 2013

Melden bei Dawanda

von hier: http://de.dawanda.com/topic/21/10371946?page=15#post_10664942

Anlaß ist die immer wiederkehrende Beschwerde von Dawanda-Verkäufern über angebotenene Waren, die nicht den Richtlinien Dawandas entsprechen, wie Markenartikel bekannter Unternehmen, Ramschladenware, Katzenklos aus Plastik, Artikeln, die von bekannten Großversendern stammen, und vieles mehr. Zu diesem Zweck gibt es einen Melde-Button direkt auf der Artikelseite, mit dessen Hilfe der betreffende Artikel "gemeldet" werden kann, und dann D. selbst entscheidet, ob der Artikel bleiben darf oder entfernt werden muß.
Das "Melden" an sich führte schon zu vielen Kontroversen innerhalb der Shopbesitzer, manche sind gar der Meinung, die Existenz des Buttons sei überflüssig, da sie nicht als Artikelpolizei oder Denunzianten arbeiten wollten, und im Übrigen seien die Shopinhaber selbst für ihr Warenangebot verantwortlich.
Leider ist es so - von vielen Kunden besttätigt - daß die Existenz von Ramsch- und Massenware mehr und mehr am Image der Plattform als Marktplatz für Handmade und Unikate nagt.
Die Shopbesitzer, die noch Wert auf eigene Handarbeit legen, sind erbost, und das zu Recht, scheint es doch, als ob D. mehr Wert auf Umsatz lege als auf Übereinstimmung der angebotenen Produkte mit ihren eigenen Richtlinien. Auch scheint es zweierlei Maß zu geben, mit dem gemessen wird...

Ein Brief eines D.-Mitgliedes an Dawanda, das darüber richtig erzürnt ist. Ich bin gespannt, ob eine Antwort kommt und wie sie lautet. (Text aus obigem Link)
Liebes Dawanda Team,
wir sind mehr als überrascht, dass uns an der Hotline heute auf Nachfrage mitgeteilt wurde, dass Händler, die bei euch Waren anbieten, die sie weder selber herstellen, noch selber das Design beeinflussen, noch Veredelungen an diesen Produkten vornehmen einstellen dürfen, wenn sie angeben, das sie ausschließlich als Wiederverkäufer agieren.
Wir reden hier auch nicht von so genannten Kleinserien, Arbeitsmaterialien oder Unikaten.
Wir reden hier von handgefertigter Massenware aus Indien, die unter mehr als fragwürdigen Umständen hergestellt werden. Wir kennen den Hersteller in diesem Fall persönlich, von Messen wie z.B. Ambiente und Tendence, sowie aus dem Internet. Wir wissen, das der Hersteller keine Fair-Trade Zertifikate nachweisen kann.
Gleichwohl wurden wir von eurem Telefonsupport auf die Richtlinien verwiesen.
In den Richtlinien steht aber, Zitat:"Wichtig ist, dass Du keine Produkte „von der Stange“ anbietest, sondern Produkte, die Du selbst herstellst, entwirfst oder aufarbeitest." Zitat Ende
In den Richtlinien steht zudem, Zitat:"Der Handel als Wiederverkäufer ... Es sind nur Kleinserien und Unikate erlaubt.
weiter ... Handgefertigte Produkte aus Dritte-Welt- und Schwellenländern dürfen nicht angeboten werden, wenn sie nicht aus fairem Handel stammen. Diesen Nachweis musst Du uns in Form eines Zertifikats auf Anfrage vorlegen." Zitat Ende

Wie dürfen wir das nun verstehen?
Produkte von der Stange sind erlaubt, sofern wir klarstellen, dass wir als Wiederverkäufer agieren?
Was passiert, wenn wir nun auch die gleichen Produkte wie diese Wiederverkäufer anbieten möchten, dann zeigt sich doch, das es Massenware ist. Werden wir dann von euch verwarnt und die, welche das Produkt zuerst angeboten haben nicht?
Was unterscheidet DaWanda dann noch von all den anderen Marktplätzen?
Geht es euch ausschließlich um den Profit, dann solltet Ihr auch dazu stehen, und nicht scheinheilig in euren Grundsätzen und PR Aktionen die Nutzer des Marktplatzes an der Nase herumführen.
Es wird Zeit, dass Ihr Farbe bekennt.
Mit freundlichem Gruß
Markus Neu

http://www.facebook.com/dawanda.de?ref=ts&fref=ts
K*** 13.02.2013 10:59 

Die entsprechende Antwort von Dawanda Deutschland: (auf facebook zu finden, Text von da)
DaWanda Deutschland 
Hallo Markus,
vielen lieben Dank für deine Nachfrage. Du hast mit deinem Verweis auf die Richtlinien absolut Recht. Auf DaWanda sind nur selbstgemachte Produkte erlaubt; einzige Ausnahme bilden Material und Vintage-Produkte.
Wie in den Richtlinien vermerkt (http://de.dawanda.com/cms/c/de/Verkauferportal/42-Richtlinien) gilt gleiches für Wiederverkäufer. Auch diese dürfen nur Selbstgemachtes (auch wenn sie selber nicht der Hersteller sein müssen), Material und Vintage-Produkte verkaufen.
Sofern du Produkte auf DaWanda entdeckst, die nicht diesen Richtlinien entsprechen, hast du die Möglichkeit, uns diese zu melden. Aufgrund dessen mittlerweile sehr viele Produkt auf DaWanda angeboten werden, ist es kaum möglich, diese alle selbst zu kontroliieren, sondern hier bitten wir um Mithilfe der Community. Wenn du also ein Produkt auf DaWanda entdeckst, von dem du annimmst, dass es nicht Richtlinien-konform ist, bitte melde uns dieses Produkt. Das geht über den Link "Verstoß an DaWanda melden" am unteren Ende der Produktbeschreibung. Wir gehen den gemeldeten Fällen dann nach. Jedoch bitten wir um Verständnis, dass die Bearbeitung des Falls etwas Zeit in Anspruch nehmen kann.
Liebe Grüße
Wiebke von DaWanda

Passende Antwort dazu:   http://de.dawanda.com/topic/6/10644178?page=8#post_10665062  (Text von da)
Liebes DaWanda Team,
das war zu erwarten, dass ein solches Statement von euch kommt. Wir haben in der Vergangenheit Produkte so wie von Ihnen euch im obigen Statement aufgezeigt gemeldet. Wir haben es per Formular über eure Website gemacht, telefonisch beim Support (mehrfach) … mit dem Ergebnis, es passierte nichts.
Dann haben wir ein Fax an die Zentrale in Berlin gesendet, da wir bemerkten, im Callcenter mag sich niemand für unser Anliegen erwärmen.
Erst nach diesem Fax, in dem wir klar und deutlich zu verstehen gaben, dass wir, sollten diese Produkte weiterhin auf DaWanda angeboten werden, den Marktplatz verlassen. Wurde der entsprechende Verkäufer limitiert bzw. für einen Zeitraum von drei Monaten gesperrt.
Und nun … nun ist der Verkäufer wieder mit den gleichen Produkten auf DaWanda gelistet, einzig ein Hinweis, ganz unten in der Artikelbeschreibung zeigt dem Gutgläubigen Kunden, dass diese Produkte in Indien hergestellt werden und der Verkäufer auf DaWanda sich als Wiederverkäufer zu erkennen gibt. Aber das geschieht nur bei einigen Produkten, bei anderen wird frech bemerkt, dass die entsprechenden Produkte durch eigenes Design entstanden sind. Was wiederum gleichfalls nicht der Wahrheit entspricht, da wir diese Produkte selbst schon auf der Ambiente zum Handel angeboten bekommen haben.
Davon abgesehen, reicht es offensichtlich aus, drei Monate die Füße still zu halten, anschließend einen erweiternden klärenden Satz unter die Artikelbeschreibung zu heften und alles wird gut.
Wie leichtgläubig seid Ihr. Wenn ich als Händler auf einem Marktplatz einen ansehnlichen Umsatz fahre, der mir dann wegbricht, weil ich aufgefallen bin, meinst ihr wirklich, ich versuche es nicht immer wieder, sofern sich ein Schlupfloch findet.
Der Witz dabei ist, wir haben euch eine schriftliche Aussage des Herstellers aus Indien zukommen lassen, in der dieser bestätigt, dass er seine Produkte an den entsprechenden DaWanda Händler verkauft. Nun gibt dieser DaWanda Händler bei einigen Produkten sogar noch den Namen des Hersteller an und Ihr lasst es gelten.
Glaubt Ihr wirklich, weil hier im kleinen Deutschland ein kleiner Händler Probleme mit einem mittleren Marktplatz hat, ändert ein Indischer bekannter Hersteller seine Arbeitsmethoden. Wir wissen, dass in seinem Betrieb junge Frauen und Männer gesundheitsgefährdende Jobs (hier wird mit Farben gearbeitet, die in Deutschland niemals zugelassen würden) verrichten, die selbst für indische Verhältnisse unter bezahlt sind. Aus diesem Grund haben wir mit diesem Hersteller nie ein Geschäft angebahnt.
Und mal im ernst, glaubt Ihr wir haben so viel Zeit, euch immer und immer wieder auf die gleichen faulen Vögel aufmerksam zu machen, während wir auf der anderen Seite den Schaden begrenzen müssen, der durch eben diese verursacht wird.
http://www.facebook.com/dawanda.de?fref=ts
K*** 13.02.2013 12:13

Ich möchte gern sagen - jetzt reicht es. 
Auf eine weitere Antwort bin ich nun nicht mehr gespannt, sondern sie wurde durch Textbausteine, Null-Informations-Sätze und auch durch D.´s Handeln bereits gegeben. Leicht fassungslos, auch darüber, wie leicht Geld und die Aussicht auf noch mehr Geld einen korrumpieren kann und auch die hehrsten Absichten unterspülen,
Grüße, Sathiya 


Edit: eben gefunden - die aktuelle Diskussion bei facebook.
https://www.facebook.com/dawanda.de/posts/10151308659586448 

Fasten oder Nicht-Fasten

Heute ist Aschermittwoch, wo traditionell das österliche Fasten, die Bußzeit beginnt. 40 Tage lang wird gefastet, die Sonntage ausgenommen, bevor es am Gründonnerstag endet und die Karzeit beginnt. (Katholiken bitte ich mich zu entschuldigen, sollte ich da einen logischen Fehler begangen haben, als evangelisch aufgezogenes Kind habe ich das Fasten nur als obskures mittelalterliches katholisches Ritual wahrgenommen oder aber als Gesundheitsmaßnahme).

Was eigentlich ist Fasten?
Einfach nur nichts essen? Oder nur bestimmte Speisen? Oder nur zu bestimmten Zeiten? Oder auf liebgewordene Gewohnheiten verzichten? Überhaupt auf etwas verzichten? Ein Muß oder ein Kann? Um seiner selbst willen oder einem Gott zur Ehre? Ausnahmen erlaubt? Fasten-Attest bzw. Fastenbefreiung?

Beim Durchblättern verschiedener Online-Seiten, Blogs und Zeitschriften komme ich zu einem wenig verwunderlichen Ergebnis: Christen bzw. Deutsche fasten seit dem schleichenden Niedergang des Ansehens der Kirche fast nur noch zur persönlichen Bequemlichkeit und eher seltener aus einem religiösen Bedürfnis  heraus oder um eine verbindliche Vorschrift zu befolgen. Um abzunehmen beispielsweise...
Selbst wenn aus religiösen Gründen gefastet wird, wird es sogleich rationalisiert und in gesundheitliche Vorteile umgerechnet.

Warum Fasten?
Zunächst aus religiöser Sicht: das Osterfasten dient der Erinnerung an den Tod Jesu.
Was es bedeutet:
Völliger Verzicht auf Fleisch, Milch und Eier für 40 Tage. Erlaubt sind Fastenspeisen und sich einmal am Tag zu sättigen. Kein Mensch redet von Null-Fasten, das würde auch kaum einer 40 Tage lang überleben. Erlaubt sind je nach Kirchentradition vegane Speisen plus Weichtiere plus Fisch. Bei manchen ist zusätzlich Öl verboten oder erlaubt.
Aus weltlicher Sicht: zum abnehmen, läutern des Geistes, säubern und entsäuern des Körpers.

Das ist gut, ich mache das mehrmals im Jahr für einige Tage, manchmal freiwillig, oft genug auch unfreiwillig (wegen Kopfschmerzen) und kann die überaus positive Wirkung auf Körper und Geist nur bestätigen. Ob ich mich einem Gott dadurch näher fühle? Nicht wirklich, nein. Ich fühle mich mir selbst näher, das ist es, was ich für mich sagen kann.
Und ich verspüre tiefe Bewunderung für einen Mann, der - egal, ob nun wirklich gelebt oder nicht - sich für 40 Tage in die Wüste begab, um dort zu meditieren und sich über seinen Weg klar zu werden, und dabei Verzicht geübt hat, ohne sich der Versuchung zu ergeben. Als Mensch, der dem Schönen zugeneigt war, muß das alles andere als einfach gewesen sein, vor allem, da er sein Ende schon kannte, und somit in arger Versuchung war, ihm einfach auszuweichen. Oder er hätte sich dem einfacheren Weg ergeben können, den ihm der Versucher angeboten hat - verehre mich, und du wirst zum Herrscher der Welt. Hat er aber nicht, er brach sein Fasten nicht, sein Geist und Wille blieben stark und standhaft. (Das ist gut so, denn sonst wären unserer Sünden immer noch nicht vergeben... jedenfalls glauben das die Christen.)
Die Fastenzeit gemahnt uns daran, daß auch wir Kinder Gottes sind, in gewisser Weise, und daß es an uns ist, das Geschenk, das er uns mit unserem lebendigen Körper gemacht hat, gebührend zu würdigen. Und auch wir könnten, wenn wir wollten, dem Versucher widerstehen, der uns den einfachen Weg schmackhaft machen will. Nur - wer sagt, daß es besser sei, einfacher, der Versuchung nachzugeben?

Wenn wir fasten, bringen wir unseren Körper und Geist zur Ruhe, die beide unentwegt nach mehr Aufmerksamkeit und mehr von diesem und jenem verlangen. Die leise Stimme Gottes wird im Alltag zu oft übertönt vom Raunen eines ruhelosen Geistes, den Geräuschen der Verdauung, den Klängen und Reizen der Ablenkung und Unterhaltung. 
Wie wir fasten sollten: Verzicht üben auf das, was uns üblicherweise begleitet. Lärm, Hektik, Töne reduzieren, Nahrungsaufnahme auf das zum Überleben notwendige Maß einschränken, Ablenkungen und Streß minimieren. Die Seele zur Ruhe kommen lassen.
Fasten aus der Sicht der Supermärkte: Fasten wird überbewertet.
Pünktlich zum Aschermittwoch stehen überall die Regale und Displays voller Oster-Schoko-Kram, Sekt und Wein sind im Angebot (30 % reduziert!! - Kaufen, kaufen!), der Süßkram quillt aus allen Körben. Ich finde das widerlich, übrigens auch ohne daß Fastenzeit wäre. Muß das sein?
Der Versucher lacht sich ins Fäustchen. Die moderne Gesellschaft arbeitet ihm in die Hände, ohne daß er Weltherrschaften versprechen muß... oh, jetzt wird´s religiös. Entschuldigung.

Fazit: Fasten oder bewußter Verzicht auf tagtägliche Gewohnheiten sind seit alters her eine Methode, Geist und Körper zu reinigen und zu läutern, sich auf sich selbst zu besinnen, Demut zu lernen und Rücksicht zu üben, sich selbst zu hinterfragen, sich selbst und den eingeschlagenen Weg zu erkennen und umzukehren, falls der Weg in die persönliche körperliche, geistige und seelische Zerstörung führt.

Ich kann das nicht schlecht finden, allenfalls finde ich die Fixierung auf religiös verbrämten Essensverzicht um Abzunehmen oder Verzicht auf Tingeltangel, der einem sowieso nicht fehlt, bedenklich. Aber immer noch besser als nichts zu tun, das räume ich gern ein.
Fasten wir.

Liebe Grüße, Sathiya

Montag, 11. Februar 2013

Haltung - Contenance

Was die Franzosen Contenance nennen, Haltung und Harmonie im äußern Betragen, Gleichmütigkeit, Vermeidung alles Ungestüms, aller leidenschaftlichen Ausbrüche und Übereilungen, dessen sollte sich vorzüglich ein Mensch von lebhaftem Temperamente befleißigen.“
Adolph Freiherr Knigge: Über den Umgang mit Menschen, Fünfte Auflage, 1808
Wie sich Männer und Frauen benehmen sollten, wie es in vergangenen Zeiten die Idealform der edlen, eleganten, gebildeten Schicht war.
Die Frauen - wie eine Dame oder Lady.
Die Männer - wie ein Edelmann oder Gentleman.
Jederzeit die Haltung zu wahren, nie zu entgleisen, immer höflich und korrekt. Erinnert an ein altertümliches Hofprotokoll, an ein "die Formen müssen gewahrt bleiben". Aber das meine ich nicht damit.

Zugegebenermaßen etwas steif, und viel Spaß scheint es auch nicht zu machen - aber ist es das, wozu wir leben, um nur Spaß zu haben? Jederzeit allen Gelüsten zu folgen?
Was ist mit Beherrschung, Disziplin, Zurückhaltung, Bescheidenheit, Höflichkeit, Rücksichtnahme? Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Beständigkeit?
Zumindest die meiste Zeit?

Also nicht jedesmal gleich ausrasten und verrückt spielen, nur weil etwas nicht den Vorstellungen entspricht.
Seine Worte sorgfältiger wählen, den Tonfall abstimmen, sein Benehmen kontrollieren, auch wenn man gerade zu diesem Zeitpunkt elend sauer ist. Klar kann ein wohlgezieltes Kraftwort wie "SCH---" im richtigen Moment Wunder wirken (vor allem für einen selbst), aber letztendlich ist und bleibt es auch verbal Sch---, die noch dazu lange in Gedächtnis und Seele nachhallt.

Gegenargument: das scheint alles ziemlich trocken zu sein, zumindest für Leute, die gern mal über die Stränge schlagen. Einige denken auch, ab und zu mal die Haltung zu vergessen, wäre notwendig, um nicht zu platzen. Das ist akzeptabel. Aber ständig über die Stränge zu schlagen, befreit nicht, sondern verroht und stumpft ab.
Man muß dazu noch nicht einmal "die Sau" rauszulassen, ständige Vernachlässigungen kleiner höflicher Umgangsformen, gedankenloses Gebrauchen von Kraftausdrücken und Straßenslang schon drücken Verachtung und Respektlosigkeit aus, und stumpfen den Sinn fürs gute Benehmen Stückchen für Stückchen ab. Und unterminieren die Haltung, denn peu a peu denkt man sich mehr und mehr "was soll´s" und richtet sich (unbewußt) danach. Was soll´s. *g*

Momentan herrscht zum Glück noch eine gewisse Grund-Haltung, man kennt und benutzt noch bitte und danke, grüßt und verabschiedet sich, erbittet Verzeihung und entschuldigt sich, hält sich Türen und Mäntel auf, macht Komplimente... und lügt doch und erzählt Märchen, sucht seinen augenblicklichen Vorteil, versucht sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Und tut das alles oft nur, weil dafür bezahlt wird, oder ein Vorteil zu gewinnen ist.
Die Werbung und Reklame zum Beispiel lebt genau davon - vom Spiel mit dem Stilbruch: der Gegensatz von Verbot und Verweigerung, Gestattung und Lockung, Wahrhaftigkeit und Verschleierung. Doch was, wenn das nicht mehr funktioniert, weil altmodische Höflichkeit, Haltung und Ausdrucksformen einfach nicht mehr verstanden werden? Wenn beispielsweise Sex nicht mehr sells, weil jeder schon bis zum Überdruß alles und mehr davon gesehen hat, was er/sie je wissen und sehen wollte?
Was kommt dann, um für Zahncreme, Rasierer, Autos und Schokolade zu werben?

Mord und Totschlag herrschen sowieso schon in den Buchhandlungen, in den Kinos, den Filmen... hoffen wir, daß die Filmemacher noch eine Weile soviel Rückgrat haben, das aus der Werbung rauszulassen (nun, bei Reklame für Computerspiele ist es leider schon so weit).

Contenance, Haltung. Ich wünschte, wir hätten alle auch im Alltag mehr davon, und zwar, auch ohne daß wir dafür eigens belohnt werden.
(Sorry for that. Der Post ist zwar nicht genauso geworden, wie ich wollte (leicht vom Thema abgekommen), aber ich lasse ihn jetzt so.)

Immer die Haltung bewahren, Grüße, Sathiya

Dienstag, 5. Februar 2013

Katastrophe, die

inspiriert von hier: http://rheinland-blogger.blogspot.de/2013/02/de-ramp.html (kein Hyperlink)

Anlaß: eine Überlegung, auf welche Art und mit welchen Intentionen der Begriff Katastrophe heute benutzt wird, von wem und zu welchem Zweck.
Das Wort "Katastrophe" wird in der Tat immer häufiger benutzt, um als Kauftrigger zu wirken oder jemanden zu einer Handlung zu bewegen. Ich stelle für mich fest, daß ich auf das Wort Katastrophe allein schon abwehrend reagiere, weil damit fast alles belegt wird, ob es katastrophal ist oder nicht, Hauptsache, die Nachricht/Zeitung/Sendung/Meinung verkauft sich damit besser.

Eine Begriffsbestimmung.
http://de.wikipedia.org/wiki/Katastrophe  (kein Hyperlink, kursiver Text von da)

Was war: 
Eine Katastrophe (griechisch καταστροφή „Umwendung“, Komposition aus κατά katá „herab-, nieder-“ und στρέφειν stréphein „wenden“, also eigentlich „Wendung zum Niedergang“) ist ein folgenschweres Unglücksereignis mitsamt dessen Folgen.
Der Ausdruck „Wendung“ (Peripetie) „zum Schlechten“ stammt ursprünglich aus dem antiken griechischen Drama, und ist ein (im Drama zwingend erforderlicher) dramaturgischer Kunstgriff der Handlung, um durch neuerliche „Wendung zum Guten“ die Protagonisten – und mit ihnen das Publikum – einer Katharsis (Läuterung) zuzuführen oder für Fehlverhalten der Verdammnung anheim fallen zu lassen. Dadurch ist der Begriff bis heute sowohl ethisch besetzt und auch sozialromantisch verklärt, wie auch Gegenstand der Sensationslust.
Was ist:  (Auszug, subjektiv ausgewählt und gekürzt)

Interpol verwendet aus polizeilicher Sicht (mit einem Schwerpunkt auf Identifizierung betroffener Personen und Getöteter) folgende Definition für eine Katastrophe:
„Eine Katastrophe ist ein unerwartetes Ereignis, bei dem zahlreiche Menschen getötet oder verletzt werden. Die Ereignisse, die zu Katastrophen führen können, sind vielfältiger Natur. Denkbar sind somit Einsätze nach Verkehrsunfällen, Naturkatastrophen, technischen Unfällen (Brand, Explosionen), terroristischen Anschlägen und kriegerischen Ereignissen. Hierbei ist zwischen einer offenen und einer geschlossenen Katastrophenform zu unterscheiden.
Eine „offene Katastrophe“ ist ein Großschadensereignis, bei dem eine Gruppe unbekannter Personen getötet wurde, über die es keine vorherigen Aufzeichnungen oder Zugehörigkeiten gibt. Bei diesen Ereignissen ist es schwierig, Angaben über die Zahl der Opfer zu erhalten.
Eine „geschlossene Katastrophe“ ist ein Großschadensereignis, bei dem eine Gruppe von Personen getötet wurde, die einem festen Kollektiv (z. B. Flugzeugabsturz mit Passagierliste) angehört. Handelt es sich um eine geschlossene Katastrophe, sind die antemortalen Vergleichsdaten i.d.R. schneller zu erheben. Denkbar sind auch Mischformen (Absturz eines Flugzeuges in ein Wohngebiet).“
– Disaster Victim Identification – Handbuch Interpol 2009
Häufig unterscheidet man zwischen
  • Naturkatastrophen, das heißt Naturereignisse, denen Menschen ausgesetzt sind und die zum Ersticken, Ertrinken, Verdursten, Verhungern, Erfrieren, Verbrennen und Vergleichbarem führen (wie Meteoreinschläge, Vulkanausbrüche, Lawinen, Erd- und Seebeben, Hochwasser, Waldbrände u. a. m.) und
  • „technischen Katastrophen“.
    • Diejenigen sogenannten „technischen Katastrophen“, die eine verheerende ökologische Beeinträchtigung bedeuten, bezeichnet man auch als Umweltkatastrophen. Katastrophen im Straßenverkehr gehören häufig zu den technischen Katastrophen; sie sind unter anderen Kategorien, z. B. Brückeneinstürze oder Brand- und Explosionskatastrophen, zu finden.
Naturkatastrophen bis hin zur Klimakatastrophe sind in ihren Auswirkungen stets auch sozial beziehungsweise kulturell beeinflusst (sogar Man Made Disasters – siehe Hungersnot): Wenn Menschen Vulkanabhänge nicht besiedelt hätten, wäre ein Ausbruch oft keine „Katastrophe“.
Die Begriffsbestimmung selbst scheint eine Katastrophe zu sein, und alles andere als einfach. :-)

Katastrophe ist alles, was dem (gott)gegebenen und (gott)gewollten stetigen gleichförmigen Verlauf des Lebens entgegensteht und ihn verhindert, behindert, unterbricht oder sonstwie beeinträchtigt. Spannbreite von sehr objektiv bis sehr subjektiv.

Es gibt sogar eine Unterscheidung zwischen Unglück und Katastrophe, wobei die Unterscheidung allein danach getroffen wird, in welchem Zeitrahmen Hilfe und Unterstützung gleistet werden konnte. Das stimmt mich nachdenklich und erscheint mir unlogisch. Ein und dasselbe Ereignis - entweder Unglück oder Katastrophe, und die Einstufung soll nur davon abhängig sein, wie schnelle Hilfe da ist? Und die Einstufung scheint wichtig zu sein - Einschaltquoten, Wert der Berichterstattung über das Unglück/die Katastrophe und damit direkt verbunden die Höhe des zu erntenden Prestiges als Krisenmanager bzw. die Höhe der zu erwartenden Spendengelder. Nach dem Verbleib der beteiligten Menschen fragt da kaum jemand...
Aber es erscheint ohnehin sehr schwierig, dazu eine vernünftige Unterscheidung zu treffen, und man muß es den staatlichen Stellen hoch anrechnen, sich mit der Problematik zu befassen und tatsächlich nur Unglücke der schwersten und nachhaltigsten Art als Katastrophe zu bezeichnen. Das läßt natürlich die Medien, die vom Verkauf von Nachrichten leben, umso schlechter aussehen. Da es aber ohnehin kaum schlimmer werden kann.... muß man sich eben einen eigenen Filter zulegen, der die Nachrichten filtert, und diese eben selbst bewerten.

Was sein wird: wäre der größte anzunehmende Unfall (GAU) eine Katastrophe oder nicht? Gleich oder erst aus der Sicht in die Vergangenheit? Der Kernreaktorunfall von Tschernobyl - Unglück oder Katastrophe? Der Atombombenabwurf über Hiroshima und Nagasaki aus der Sicht Japans - Unglück oder Katastrophe? Wer bewertet was wieso? Die Riesentornados über den USA - Unglücke oder Katastrophen? Wann wird ein Unglück zu einer Katastrophe?

Was gewesen sein wird: wie wir die Vergangenheit neu bewerten.
Der Feuersturm über deutschen Städten gegen Ende des 2. Weltkrieges - damals eine Katastrophe, heute ein Unglück, ein notwendiges Übel, um Deutschland zu zermürben und das Kriegsende schneller herbeizuführen. Die Pestepidemie über Europa mit Millionen Toten - damals eine Katastrophe, aus heutiger Sicht nicht so schlimm. Die Kreuzzüge - für die damaligen Machthaber ein Glücksfall, sind sie doch auf die Art mißliebige Elemente losgeworden, für die Kreuzritter ein Unglück, für die armen Orientalen eine Katastrophe. Deus vult! Jaja... eine Frage der Sichtweise.
Die Eroberung Amerikas - für Europa damals ein Glücksfall, für die amerikanischen Ureinwohner eine Katastrophe, von der sie sich nie erholt haben. Und man kann sich fragen, ob das mit dem Glücksfall für Europa die letztendlich gültige Betrachtungsweise ist...
Wäre unsere Erde lebendig (die GAIA-Hypothese spricht davon), wäre die Existenz der Menschen ein Unglück, das schnell in einer Katastrophe enden könnte. Schüttelte GAIA sich, um die Menschen abzuwerfen, würden wir das als Katastrophe ansehen, für GAIA wäre es ein Glück.

Und nun das Subjektive: für manche Menschen kommt es einer Katastrophe gleich, wenn sie keine passenden Schuhe zum Kleid finden. Oder keinen passenden Wein zum Käse. Ich frage mich da immer, ob sie eigentlich wissen, wovon sie reden?!

Auf daß dieser Beitrag nicht auch noch zur "Katastrophe" wird - beende ich ihn jetzt.
Meinungen, Ansichten, Kritik und Gegendarstellungen wie immer willkommen!

Greetings, Sathiya