Dienstag, 13. September 2016

Der Tanz mit dem Prüfungsamt

Studiengang Pharmazie, Zweites Staatsexamen, es stehen schriftliche Prüfungen in fünf Fächern an.

Die ersten zwei Fächer / schriftlichen Prüfungen waren für den 26.3 angesetzt.
Die Studentin fühlte sich zu krank um anzutreten und bekam vom Hausarzt am 25.3. ein Attest ausgestellt, welches sie dem Amtsarzt zur Vorlage brachte, zur Ausstellung eines amtsärztlichen Attestes (AÄA) am 26.3. - genau wie im Landesprüfungsgesetz vom Ablauf her vorgeschrieben – erst Hausarzt, dann Amtsarzt aufgesucht, dann Prüfungsamt telefonisch informiert, daß aufgrund einer Erkrankung der Prüfungstermin nicht wahrgenommen werden kann.
Der Beamte im Landesprüfungsamt (LPA) lehnte ab, sich das Attest persönlich überbringen zu lassen, es würde ja sowieso wie üblich vom Amtsarzt zu ihnen ins Prüfungsamt gesandt werden. Die Amtsärztin gibt der Studentin dieselbe Information – das AÄA würde gefaxt werden.
Mit dieser Aussage gab sich die Studentin zufrieden, die heilfroh war, nach hause ins Bett zu kommen. Der Prüfer war natürlich über den Nichtantritt informiert, sodaß alles geklärt schien.

Am 6.5. kam ein Bescheid vom LPA über nichtbestandene Prüfungen in Klinischer Pharmazie und Pharmazeutische/Medizinische Chemie ins Haus geflattert, als Begründung wurden Formfehler angegeben. Welche genau, ging aus dem Schreiben nicht hervor, nur die Festlegung der Gebührenhöhe war eindeutig.

Die Studentin legte am 21.5. gegen den Bescheid schriftlichen Widerspruch ein, per Einschreiben mit Rückschein, und informierte ebenfalls die Fachschaft Pharmazie über den Widerspruch (telefonisch).

Für den 17.6. wurde der Zweitprüfungstermin (Nachprüfung wegen Nichtantritt) in Klinischer Pharmazie anberaumt.
Sofort fragte die Studentin telefonisch beim PA nach, wieso die Prüfung nicht als Erstprüfung gewertet würde, sie hätte doch ein gültiges amtsärztliches Attest vorgelegt und außerdem gegen den Bescheid vom vom 6.5. Einspruch erhoben?
Die LPA-Beamtin sagte, ein Widerspruch sei nie beim LPA eingegangen. Trotz Einschreiben mit Rückschein. Sie fordere nun die Studentenakte bei der zuständigen Fachschaft für Pharmazie an.
Die Mitarbeiterin bei der Fachschaft hatte glücklicherweise den mündlichen Widerspruch per Post-it korrekt auf der Akte dokumentiert. Nun soll die Akte durchgesehen werden, das amtsärztliche Attest nochmals ausgewertet, um den Ablehnungsgrund zu finden. Man geht also davon aus, daß da ein Attest ist!

Die Studentin ist infolge der unklaren Lage bezüglich der Termine und Einspruchsfristen dann nicht zum erneuten Prüfungstermin angetreten.
Mit neuem Bescheid vom 25.6. wird der Prüfungstermin vom 17.6. widerrufen, um die Sachlage erneut zu untersuchen.

Die Studentin ist zwischenzeitlich mehr mit den Formalitäten der Prüfung befaßt als mit ihrem Lernstoff. Ebenso hält sie sich mittlerweile öfter im LPA auf als in der Uni-Bibliothek, wo sie eigentlich lernen sollte.

Nun sucht die Studentin ihr amtsärztliches Attest (AÄA), obwohl sie eigentlich dringend für ihre Prüfungen lernen müßte. Sie will damit um die Anerkennung bezüglich der Zweitprüfung als Erstprüfung kämpfen.
Auf Nachfrage beim Gesundheitsamt, welches die AÄA ausstellt, heißt es nun überraschend, die Atteste werden den Studenten in die Hand gedrückt, auf daß sie selbst dafür sorgen, daß es zum LPA gelangt. Das ist doch genau das, was sie tun wollte – nur hatte ihr der LPA-Beamte eine völlig andere Auskunft gegeben, auf die sie sich leider verlassen hatte, krank und angegriffen wie sie war.

Die attestausstellende Amtsärtzin erteilte am 2.7. telefonisch folgende Auskunft: es habe erst im März eine Umstellung des Prozederes gegeben. Vorher war es üblich, das AÄA auf dem kurzen Dienstweg einfach ans PA zu faxen.

Erneute Anfrage beim LPA vom 1.7., die bekannte Beamtin. Die Studentin wird mit der Situation allein nicht mehr fertig und hat sich mich als Begleitung und Zeugen ausgesucht.
Frage Begleitung: „Seit wann wissen Sie, daß gar kein Attest vorliegt?!“
Antwort LPA-Beamtin: Es sei (angeblich) nie eines dagewesen – wohl auf dem Postweg verlorengegangen. Ob das der Studentin noch nie passiert sei?
Frage Begleitung: „Wieso haben Sie es, als die Studentin persönlich bei Ihnen war, unterlassen, genau das zu erwähnen??“
Keine Antwort.
Begleitung: „Also, wo ist das Attest?“
Die LPA-Beamtin holt unwillig die Akte aus dem Nebenzimmer und schaut selbst nach.
Es gäbe kein Attest in der Studentenakte.

Begleitung stellt die Situation sachlich dar, betonte vor allem die Fehlinformation seitens der Amtsärztin und des LPA-Beamten über das Prozedere der Attestzusendung.
LPA-Beamtin sagt nun, daß die Übergabe des Attestes allein in der Verantwortung des Studenten stehen.
Begleitung sagt, daß man nie angezweifelt habe, daß ein Attest vorläge, sondern vielmehr von einem Formfehler desselben ausging. Daß das Nichtvorliegen des Attestes der eigentliche Formfehler sei, wurde nie kommuniziert! (schon zum zweiten Mal)

Ob das Original-Attest, das die Studentin noch besitze, noch übersandt werden solle, damit die Akte vollständig sei – und sie, die LPA-Beamtin anhand des Attestes eine Aussage darüber treffen könne, ob das AÄA ein hinreichender Grund fürs Nichtablegen der Prüfung sei.
Begleitung erläutert nochmals sachlich den gesamten Hergang, inklusive der unterschiedlichen Informationen, die von Amtsarzt und LPA-Beamten kamen.
LPA-Beamtin sagte, sie könne dem Hergang, wie dargestellt, nun glauben oder auch nicht. Sie erklärte sich bereit, sich das Attest anzusehen, könne aber nichts versprechen, und einen eigenen Bescheid gäbe es dazu nicht.
Die LPA-Beamtin wundert sich, warum die Begleitung mit ihr spricht und nicht die Studentin selbst – die ein krankes Nervenbündel ist und kurz vorm Zusammenbruch steht. Kurze Erklärung der Lage wird akzeptiert, freundlicherweise. Und das AÄA soll unbedingt zu ihren Händen gesandt werden.
Sie betonte, der Bescheid würde nicht zurückgezogen oder geändert werden, der Studentin stehe es mithin frei, den Klageweg zu beschreiten.
Die Erfolgsaussichten seien durchaus nicht ganz klein, aber das Ende sei offen.
Die LPA-Beamtin betonte nochmals die überaus große Sorgfalt, mit der alle Mitarbeiter im LPA arbeiten würden, Fehler ausgeschlossen!
Atteste sollten übrigens zeitnah eingereicht werden, Atteste, die älter als 10 Tage seien, werden nicht mehr anerkannt (sie baut sich selbst eine goldene Brücke – denn das fragliche Attest ist vom 26.3. - und mittlerweile ist Juli).


Persönliches Gespräch im LPA, 2.7.
Anwesend die LPA-Beamtin, die Studentin und ihre Begleitung

LPA-B sagt, sie nimmt den Bescheid vom 6.5. unter keinen Umständen zurück.
Nach Vorlage und Begutachtung des Original-Attestes meinte, sie, daß allein der angegebene Säumnisgrund eine Ablehnung rechtfertigen würde – es war als Attestgrund „chronische Erkrankung“ angekreuzt.
Auf die Bitte von Studentin und Begleitung, doch bitte doch noch, zusammen mit dem Amtsleiter , nur rein hypothetisch die Anerkennungsfähigkeit des Attestes zu prüfen, sagte sie widerwillig zu, wobei sie ungnädig meinte, daß letztendlich egal, was darauf stünde, das Attest sowieso abgelehnt werden würde, weil es „nicht unverzüglich vorlag“.
Das Einreichen einer Klage diesbezüglich könne sie uns nicht verwehren, es gäbe aber keine Garantie auf Erfolg.

Eine Woche später, am 8.7., telefonische Nachfrage bezüglich der leidigen Attest-Angelegenheit.
Es gäbe keine neuen Erkenntnisse, und das wäre ihr letztes Wort. Sie würde mit solchen sinnlosen Gedankenspielen nicht ihre Zeit verschwenden, sie hätte noch anderes zu tun. Dauer des Telefonats 2 min. ???

Die Studentin ist in Tränen aufgelöst, und von nervösen Kopfschmerzen befallen.

Am 17.7., dem nächsten Prüfungstermin, ruft die LPA-Beamtin sogar zuhause !!! an, um zu erfahren, was genau der Studentin fehlt, weswegen sie sich erneut für prüfungsunfähig erklärt hat.
Ich sage, das wisse ich nicht genau, da sie noch ganz aufgeregt sei und am Telefon nur weine.
Die LPA-Beamtin informiert mich, daß der amtsärztliche Dienst am nächsten Tag für Prüflinge von 8-12 Uhr geöffnet sei. Schlechtes Gewissen wohl.

Das nette Spiel vom Tod – ähm – AÄA hat sich noch mehrfach wiederholt – einschließlich eines auf dem Postweg verschwundenen (trotz Einschreiben mit Rückschein!) Attestes, eines im LPA selbst verschwundenen Einspruches (ebenfalls Einschreiben mit Rückschein) und einiger anderer seltsamer Vorfälle. Aber sei´s drum – geschenkt!
Was einen nicht gleich umbringt, macht einen stärker.


Meine Studentin hat sich im Laufe ihres Prüfungsmarathons vieler anderer Studenten in derselben Situation angenommen und ihnen geholfen, mit den Formalien (und Befindlichkeiten) des LPA klarzukommen. Es muß IMMER „akute Erkrankung“ auf dem AÄA stehen, sonst wird es abgelehnt. Selbst ein stationärer Krankenhausaufenthalt gilt nicht als wichtiger Grund für nichtangetretene Prüfungen – wie eine sehr liebe Kommilitonin erleben mußte. Dermaßen autoritär, feindselig und herablassend wird über den Studenten geurteilt, daß man sich wirklich fragt, welche Befähigung solche ein LPA-Beamter für seinen Beruf eigentlich haben muß. Empathie gehört definitiv nicht dazu. Und wieso letzten Endes ein LPA-Beamter OHNE medizinische Kenntnisse ein amtsärztliches Attest beurteilen darf, ist mir nicht ganz klar. 

Ich finde das Benehmen der Prüfungsamtbeamten unmöglich und den Umgang mit den Studenten herablassend, arrogant und fahrlässig. Manch ein Student hätte sich das vielleicht so sehr zu Herzen genommen, daß er möglicherweise Suizid begangen hätte. Ich hatte ehrlich gesagt ab und zu ernste Befürchtungen in dieser Hinsicht… und schlimme Ängste um ihre körperliche und seelische Gesundheit. Aber mein Mädchen hat es schlußendlich geschafft. Halleluja!


Das Ende vom Lied: trotz einem einjährigen Tanz mit Prüfungsamt, diverser akuter Krankheiten und massiver Prüfungsangst schloß die Studentin ihr Studium erfolgreich mit allen drei Staatsexamina ab und erwarb im Frühsommer 2016 die Approbation als Apothekerin. :-)

5 Kommentare:

  1. Herzlichen Glückwunsch der frisch gebackenen Apothekerin!

    Und allzeit ein fröhliches Wiehern des Amtsschimmels als ermutigendes Echo aus schweren Zeiten ...

    Viele Grüße
    Ursula

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    1. Danke schön!!! Vielen Dank!
      LG, Sathiya

      Und hühühü - der Amtschimmel warja noch niemals um ein Wiehern verlegen. :-)

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  2. Aaaah, dann wird das bei uns in Australien wohl aehnlich sein und erklaert damit den ueberdimensionierten Anteil von 'nur asiatisches Englisch sprechenden Apothekern'. Sprich: haben ihre Ausbildung zwar wohl daheim gemacht und dann Anerkennen lassen bzw, Zusatzpruefungen anderer Art evtl. leichter gehabt?
    Ansonsten: aufgrund derzeitig auch oft mit 'deutschem Amtsschimmel' geschlagen, bin auch ich der kopfschuettelnden Meinung von 'Mangel an BEschlagenheit selbiger Hottahue's ^^. Es schlich sich bei mir sogar schon der Verdacht ein, dass C.'s Meinung/Bezeichnung von 'Schimpansen' nicht f. aaalle Beamten zutreffen koenne, sondern es sich manchmal um NOCH primitivere Exemplare handeln muesste (Kopfkratz).
    Und bzgl. Post in Deutschland kann ich auch nur sagen: gehoert auch zu obigem 'Tierpark' (unterer Stufe - seufz). Ich warte hier auch noch auf eine Rueckmeldung des kostenmaessig bezahlt f. Einschreiben, Rueckschein, Luftpost nach Australien (seit nunmehr 2 1/2 Monaten). Nachdem ich weiss, wo der 'Zettel' abgeblieben ist und aber dort nicht sein soll und auch nicht wieder dort wegkommt, versuche ich mir jetzt netterweise die obigen Unkosten zurueckerstatten zu lassen 'Mangels Auftragsausfuehrung' = will keep me busy and out of mischief aber wird HOFFENTLICH dann denen eine Lehre sein ^^!
    Behoerden in Deutschland sind mM noch immer die Vorlage zu 'Asterixens "Das Haus das Verrueckte macht!"
    Ansonsten: Gratulation an Deine Aelteste. Mir wurde aber ganz schlecht beim Lesen dieses Posts bzgl. auch von mir verdaechtigter 'toller Auswirkungen ausgerechnet, wenn man's am wenigstn vertraegt'. Geeez habt ihr mir im Nachhinein noch beide leid getan !!!!!!!!! Seeehr schweigenden biiig Hug hierzu!

    Liebe Gruesse,
    Gerlinde

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    1. Danke schön! Vielen Dank! :-)*

      Australische Apotheker: Das könnte eine mögliche Erklärung sein. Wobei ich das leider nicht im geringsten beurteilen kann.

      Amtsschimmeligkeit bei Dir? Ach herrje. Viel Glück und Erfolg! Und laß Dich nicht verrückt machen (naja, soweit das überhaupt möglich ist), ich wünsch Dir einen langen Geduldsfaden.

      LG, Sathiya

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    2. Prust: ja gelle, bei mir meint man, es gaebe kaum mehr Raum f. 'Steigerungen' !!!!!!
      Lass' bitte 'Verteidigungen' - man kennt sich = o.k.; ausserdem hab ich's schliesslich selbst auf den Punkt gebracht und Du bist unschuldig :-D !
      Ich kenn mich auch schon viiiiel laenger, als DU mich kennen koenntest, selbst wenn DU mich 'Entenkuecken-Style' als Erstblick auf die Welt gesehen haettest = allso alles klaro; basta ;-) :-D!

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