Sonntag, 11. September 2016

Noch was zur Wahl

Änderungsvorschläge zum demokratischen Prozeß des Wählens und Wahlgesetz

  1. Stimmzettel enthalten nicht nur die Namen von Menschen und Parteien, die gewählt werden, sondern auch die Namen der Menschen und Parteien, die abgewählt werden. Eine Art Negativ-Wahl. Was das bringen könnte und ob dies dann auch gut sei, wage ich nicht vorherzusagen, aber es wäre doch mal was anderes!
  2. Es werden nicht nur die tatsächlich abgegebenen Stimmen berücksichtigt, sondern die Gruppe der Nichtwähler wird so gewertet, als stimme sie eindeutig gegen die vorgeschlagenen Wahlmöglichkeiten. Negativwahl Nr. 2. Vielleicht wird es nun mit der Stimmenauszählung und Stimmenzurechnung etwas komplizierter - aber gewiß nicht komplizierter und undurchsichtiger als das jetzige System.
  3. Es gibt eine untere und obere Grenze der Wahlbeteiligung. Eine Wahl ist nur dann gültig, wenn mindestens 66,7% und höchstens 100% aller Wähler ihre Stimme abgegeben haben. 100% - das klingt im ersten Moment absurd, aber man hat schon die tollsten Dinge erlebt! Sicher ist sicher.
  4. Verbot von Hochrechnungen der Wahlergebnisse. Die Wahlen sind geheim. Keiner hat das Recht, über sein Wahlverhalten am Wahltag öffentlich Auskunft zu geben. Die Medien halten sich mit Vermutungen und Hochrechnungen komplett heraus, um eine reale Abbildung des Wählerwillens nicht zu verfälschen (Stichwort "strategisches Wählen"). 
  5. Ausgezählt werden darf erst, wenn sämtliche Wahllokale geschlossen wurden. Die Briefwahlscheine dürfen erst nach dem offiziellen Ende des Wahltages ausgewertet und die Stimmen erst danach dazugezählt werden. Das Wahlergebnis darf erst dann und nur von einem dazu besonders beauftragten Offiziellen verkündet werden. Wahlsiegespartys noch am selben Abend sind verboten. Eine Wahl ist kein Fußballspiel.
  6. Alle Wahlunterlagen - Stimmzettel, Übermittlungszettel, Notizen, Briefwahlscheine, sonstige mit der Wahl in unmittelbarem Zusammenhang stehende Aufzeichnungen - müssen mindestens 120 Tage aufbewahren werden und auf Verlangen nachzuprüfen. Jeder Mensch, der im Wählerverzeichnis aufgeführt wird, kann dazu verpflichtet werden, die Legitimität der abgelaufenen Wahl zu kontrollieren. Eine Art Wahljury im Namen der Demokratie. Am liebsten wären mir ja 10 oder sogar 30 Jahre Aufbewahrungspflicht, aber man soll ja klein anfangen!
  7. Die Wahlversprechen gelten als verbindlich. Diese müssen erfüllt werden, sonst drohen Strafen und im besonders schweren Fall Neuwahlen. Die Diäten der Abgeordneten sind also nur vorläufig. Sie sind bei absichtlichem Brechen der Wahlversprechen in voller Höhe rückwirkend bis zu vier Jahren (huhu, das neueste Hartz4-Gesetz läßt grüßen!), ausgenommen das Existenzsicherungsminimum, zurückzuzahlen.
  8. Die Verteilung der Sitze im Parlament wird wie folgt vorgenommen: die vom Volk gewählten Menschen besetzen die vorhandenen Sitze in der Reihenfolge ihrer Wählerstimmenanzahl, eingeschlossen der Gruppe der Nichtwähler. Aus den nachgewiesenen Nichtwählern werden nach dem Losverfahren Parlamentarier gewählt, die für eine Legislaturperiode ihre Pflicht im Parlament erfüllen dürfen, bei vollem Lohnausgleich. Das wird die Parlamente zwar gehörig durcheinanderwirbeln, aber siehe Punkt 1: es wäre mal was anderes. Ob die Ergebnisse der politischen Arbeit damit besser werden, sei dahingestellt. Viel schlechter als momentan können sie aber auch nicht werden.
  9. Die Abgeordneten und Parlamentarier dürfen nicht allein über die Höhe ihrer Aufwandsentschädigung (vulgo: Diäten) entscheiden. Dazu ist eine Art Volksentscheid notwendig, der wie der Mikrocensus zufällig ausgewählte Menschen befragt und deren Zumessung als Bemessungsgrundlage nimmt. Die Diäten dürfen nicht höher sein als das Vierfache des staatlichen Mindestlohns. (tja, es bliebe interessiert abzuwarten, was dann geschieht. Ob dann wohl der Mindestlohn stiege? Oder die lieben Abgeordneten sich als korrupt erweisen? Oder beides?) 
  10. Und schließlich: die staatliche Parteienfinanzierung muß augenblicklich eingestellt werden. Sämtliche Vermögensverhältnisse (einschließlich eigener Medien!) und direkte/ indirekte Mittelzuflüsse müssen offengelegt werden, die Parteienkonzerne notfalls zerschlagen werden. Wenn eine Partei dies verweigert, erfolgt automatisch der Ausschluß aus der Regierung bzw. wird sie, auch bei eindeutigem Wahlerfolg, keinen Zugang zur Regierung bekommen. Hat eigentlich jemals jemand eine Partei der nichterlaubten Monopolbildung angeklagt?. 

Es gibt nicht umsonst das Sprichwort "Wess Brot ich ess, dess Lied ich sing".
Also. liebe Leute. Wie wäre es damit? Von den Mitgliederbeiträgen bescheiden leben, sein Wort halten und sein Leben in den Dienst des Volkes stellen. Das würde ich Demokratie nennen. Und wieder gern zur Wahl gehen.

4 Kommentare:

  1. Oje, liebe Sathiya, Du reizt mich schon wieder zum Widerspruch.

    1) Der Sinn erschließt sich mir nicht. Wenn Du möchtest, dass der Wähler mehr Einfluss darauf haben soll, wer von den Parteien ins Parlament kommt, würde es ausreichen, das System von Erst- und Zweitstimme und die Landeslisten abzuschaffen und sowas wie Kumulieren/Panaschieren einzuführen, wie wir es in Ba-Wü bei den Kommunalwahlen haben. Das würde dann automatisch die Kandidaten rausschießen, die die Wähler selbst nicht (mehr) wollen. Ob das allerdings für mehr Transparenz sorgt, wage ich zu bezweifeln. Selbst in einer kleinen Kommune kennen die meisten Leute nicht alle vorgeschlagenen Kandidaten. Bei den Kandidaten für Land und Bund kann es nur schwieriger sein.

    2) Wie muss ich mir das mathematisch vorstellen? Beispiel: Rot 30%, Schwarz 40%, Grün 20%, Blau 10% bei einer Wahlbeteiligung von 70%. Die Prozentsätze der gewählten Parteien werden mit der Wahlbeteiligung multipliziert, der Anteil 100 minus Wahlbeteiligung bildet den virtuellen Nichtwählerblock: Rot 21%, Schwarz 28%, Grün 14%, Blau 7%, Nichtwähler 30%. Und dann? Wer vertritt die Nichtwähler?

    Übrigens gibt es noch mehr Möglichkeiten, nicht zu wählen als nicht wählen zu gehen. Wenn du es schaffst, den Wahlbürger (direkt oder indirekt) an die Wahlurne zu zwingen, bekommen die Wahlhelfer wahrscheinlich jede Menge kreativer Wahlverweigerung auf Papier zu sehen.

    8) Das wären dann wohl die aus den Nichtwählern ausgelosten Parlamentsverpflichteten. Das willst Du wirklich? Soweit ich weiß, kann man zum Schöffendienst verpflichtet werden. Passiert aber in der Praxis nicht, wohl weil man weiß, dass unwillige Schöffen kein Gewinn sind.
    Davon abgesehen: was wäre denn mit dem 89-Jährigen schwerhörigen Altenheimbewohner, der zwar noch nicht dement, aber nach langjährigem moderaten Alkoholmissbrauch nicht mehr konzentrations- und aufnahmefähig ist? Willst Du den wirklich 4 Jahre im Parlament sitzen haben? Oder die (Achtung, fieses Klischee) 20-jährige, alleinerziehende HartzIV-Bezieherin ohne Schulabschluss, die an Politik sowas von kein Interesse hat. Wie soll die sich über komplexe Sachverhalte ein Bild machen, das auch nur ansatzweise ausreicht, um eine verantwortliche Entscheidung treffen zu können?

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    1. Liebe Ursula,
      ich sehe, Du kennst Dich bestens aus mit dem aktuellen Wahlsystem! Perfekt!

      Deine Einwände kenne ich bestens - es sind eigentlich auch meine. Aber meiner Meinung nach es muß sich dringend was ändern, und zwar zum besseren, egal wo, sonst wird uns dieses System aus Politpöstchen und Berufspolitikern noch ins Verderben reißen. Definitiv.

      Dein Einwand zu Punkt 8 ist im ersten Augenblick unfreiwillig komisch: der 89jährige Tattergreis und die 20jährige Imbezile sind nichtsdestotrotz wahlberechtigt (es sei denn, man knüpft das Wahlrecht an einen Intelligenztest, der mit mindestens 90 Punkten bestanden werden muß), vor allem, da wir heutzutage schon ähnliche Figuren in den Parlamenten sehen können! Aber in der Tat, da müßte dringend eine Auswahl getroffen werden, eine Altersbeschränkung und ein Mindestmaß an Bildung.

      Zu Punkt 1: das hab ich mir schon häufig gewünscht. Denjenigen ankreuzen zu können, den ich auf gar keinen Fall will. Beispielsweise wenn ich Fr. Merkel für die katastrophale Politik verantwortlich mache, müßte ich sie auch abwählen können, und zwar sie persönlich. Wie sowas dann in die Realität umgesetzt wird, müßten die Fachleute ausarbeiten.

      Punkt 2: wunder Punkt. Wer die Nichtwähler vertritt: zunächst die leeren Sitze im Parlament. Oder die Nichtwähler der vorhergehenden Amtszeit. Kreative Wahlverweigerung habe ich bei uns leider schon so gesehen: die Wahlscheine wanderen als "ungültig" direkt in den Papierkorb und werden vergessen. :-(

      6) wieso? Klar wird versucht werden zu manipulieren. Dann müssen eben Neuwahlen angesetzt werden - und bis die neue Wahl über die 66,7%-Hürde gekommen ist, werden unsere lieben Parlamentarier eben bei Wasser und Brot im Bundestag sitzen. Bei der Papstwahl geht es doch auch! Bundestags-Konklave! :-)

      4) ich meine die fußballreportermäßigen Berichte am Wahltag über die neuesten Stimmabgaben. Mich hat es immer schon stutzig gemacht, daß Punkt 18 Uhr, wenn die Wahllokale schlossen, das endgülige Ergebnis häufig schon so gut wie feststand, teilweise bis aufs Prozent genau. Wie kann man das um 18:01 schon so genau wissen???
      Desweiteren: ganz recht, es kommt beim Wählen häufig nicht das raus, was der Wähler will. Dazu siehe Punkt 1: abwählen. Wie schön das wäre...

      Nein, ich mißtraue Briefwahlausschüssen nicht m e h r als normalen Wahlhelfern. Ich meine nur, daß Briefwahl (genau wie Wahlautomaten) geeigneter für Manipulationen sind, vor allem, wenn die Wahlunterlagen direkt nach der Auszählung als entbehrlich entsorgt werden.

      Gegen Wahlsiegespartys ansich habe ich nichts. Nur gegen die Wahlpartys am selben Abend, aber darüber lasse ich mit mir reden.

      Es gibt zwar eine Aufbewahrungsfrist bis 60 Tage vor neuer Wahl, aber der Wahlleiter kann schon weit vorher entscheiden, daß die Unterlagen nicht mehr benötigt werden und sie vernichten lassen. Ich formuliere meinen Punkt um: die Wahlscheine werden ein zweites mal ausgezählt, um ganz sicher zu gehen.

      7) Wahlversprechen sind dann also leider doch nur eins: ein Versprecher, um sich kurzfristig einen Vorteil zu verschaffen. Das ist armselig. Genau deswegen sollten sich die Leutchens wieder an den alten Grundsatz halten: versprich nie, was du nicht halten kannst.
      Diäten sind mir ein Dorn im Auge. Es ist nicht Neid, sondern Unverständnis. Aller Welt wird erzählt, man müsse sparen, man selbst muß Gehaltsverzicht von 10 oder mehr Prozent hinnehmen, "im Interesse und zum Wohl der Allgemeinheit" - und dann werden einfach mal so die Diäten erhöht, Pi mal Daumen mal 500 Euro, und das ein Jahr rückwirkend. Mannmann!! :-)

      10) Parteienfinanzierung: doch, sollte dringend abgeschafft werden. Selbst wenn es dann amerikanische Verhältnisse gibt (gibt es die nicht schon längst)! Wobei ich Deine Ansicht verstehen kann: wenn meine Politiker schon bestechlich sind, will wenigstens ich als Staat sie selbst bestechen und habe damit ein gewisses Lied-Ansage-Recht. Klingt logisch.

      Habe herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar!

      viele Grüße, Sathiya

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  2. 3) 66,7% Wahlbeteiligung als Minimum ist sportlich. Könnte schon mal knapp werden. Und dann? Wird solange gewählt, bis es reicht? Und die alte Regierung macht solange weiter, bis die Minimalbeteiligung erreicht ist? Das eröffnet ja ganz neue Manipulationshorizonte ;-) ...
    Die 100% max. ... geschenkt. Mehr dürfte in Deutschland äußerst theoretisch sein, dafür sind wir, trotz Korruption, zu sehr Tüpfelesschisser.

    4) Verbot von Hochrechnungen. Aha. Wie lange vor der Wahl? Am Wahltag, 1 Tag vor der Wahl, 1 Woche, 1 Monat? Funktioniert nicht. Dann müsste man das öffentliche Reden und Schreiben über Politik vor Wahlen gleich mit verbieten. Damit leidet aber der Diskurs als Instrument der Willensbildung.
    Und: warum soll strategisches Wählen eigentlich des Teufels sein? Wenn ich nicht zu 100% hinter einer Partei stehe, spielt es für mich eine wichtige Rolle, mit wem diese Partei zu koalieren gedenkt. Und damit auch, welche Koalitionen überhaupt Chancen haben.
    Übrigens kommt nicht immer das raus, was die Wahlergebnisse nahe legen. In der letzten Bundestagswahl hätte es für Rot-Rot-Grün gereicht - aber leider war man sich nicht einig genug, die Chance zu ergreifen.

    5) Briefwahl wird auch heute schon erst nach Schließung der Wahllokale ausgezählt! Vorher wird nur abgeglichen, ob die Unterlagen in Ordnung sind. Warum sollte man die Briefwahlscheine erst hinterher prüfen dürfen? In die Wahlumschläge schaut eh keiner rein, die kommen in die verschlossene Urne und bleiben da bis zur Auszählung. Warum misstraust Du den Briefwahlausschüssen eigentlich mehr als den Wahlhelfern im Wahllokal selbst?

    Wahlsiegespartys ... ach komm, Menschen haben Emotionen. Dich stört wahrscheinlich das öffentliche Zelebrieren der Freude. Aber warum soll man sich nicht freuen dürfen, wenn man gewonnen hat? Der Ernst des Alltags kommt früh genug wieder.

    6) Auch das ist heute schon Pflicht: natürlich werden die Wahlunterlagen aufbewahrt. Welche genau und wie lange, weiß ich nicht, aber die Deutschen haben es nun mal mit Genauigkeit.
    Die Möglichkeit und/oder Pflicht zu überprüfen darf gerne sein. Ich hätte dann aber als Wahlbürgerin gerne jemand zur Seite, der sich auch auskennt. Sonst übersieht man im Fall der Fälle wichtige Details.

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  3. 7) Das mit den Wahlversprechen ist nicht umsetzbar. Wahlversprechen sind Willensbekundungen, Programme ohne Kompromiss. Wie willst Du denn verfahren, wenn Wahlversprechen daran scheitern, dass Vorstellungen der anderen Parteien mitberücksichtigt werden müssen, weil die Machtverhältnisse es diktieren? Im Zweifelsfall wird sich immer ein Grund - oder ggfs. ein Vorwand - finden lassen, warum Punkt XY so nicht durchsetzbar war. Manchmal kommt es sogar vor, dass sich externe Parameter während einer Wahlperiode ändern.
    Warum wird eigentlich immer auf den Diäten rumgehackt? Warum der Neid? Die Leute machen einen harten, verantwortungsvollen Job, bestimmt deutlich mehr als 40 Stunden die Woche, dazu fern von zu Hause, und das sind nur die äußeren Bedingungen.
    Ja, Leute, die Einfluss haben, heben bisweilen ab. Sehr unerfreulich. Das trifft aber auch für Firmenbosse zu, wahrscheinlich viel mehr als für Parlamentarier. Dennoch sind beide nicht für alles persönlich verantwortlich, was in ihrem Einflussbereich schief geht, Arbeitsteilung sei Dank.

    9) Und noch mal Diäten. Gegen eine Annäherung von Mindestlohn und Abgeordnetendiäten hätte ich nichts. Allerdings plädiere ich dafür, dass Abgeordnetendiäten in der Höhe den Gehältern für Aufgaben ähnlicher Qualifikationsvoraussetzungen entsprechen sollen. Damit müssten die Mindestlöhne steigen.

    10) Einkommenstransparenz ja, Abschaffung der staatlichen Parteienfinanzierung klar nein. Was passiert, wenn es gerade keine staatliche Parteienfinanzierung gibt, kann man in USA besichtigen: dort stecken die Parlamentarier komplett in den Taschen der Großkonzerne. Und da gilt erst recht: wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Das Schlimste ist, dass das auch noch ein System ist, das sich besonders robust selbst erhält. Wenigstens das möge uns erspart bleiben!

    Viele Grüße
    Ursula

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