Samstag, 21. Juli 2012

Preiskalkulation im Onlineshop 1

Aus dem Dawanda-Forum: Thema Utopische Preise
Es geht um das Offenlegen der Preiskalkulation, über das Zustandkommen der Preise an sich und darüber, ob einige Anbieter absichtlich oder unwissentlich wesentlich zu hohe oder zu niedrige Preise ansetzen.
Eine Überlegung.

Eine der interessanteren Fragen, die aufkamen:
Kann es schädlich sein, wenn Kunden so eine Kalkulation mitlesen?
Oder würde es das Verständnis und die Wertschätzung für die Arbeit heben?

Die Kunden sind überwiegend auch Menschen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen oder selbständig sind. Sie haben also ihren eigenen Preis, den sie für ihre eigene Arbeit erwarten. Pro Stunde oder Tag, je nachdem.
Ich finde, es schadet ganz und gar nicht, wenn man als Verkäufer seine Preiskalkulation öffentlich diskutiert. Es trägt zur Transparenz bei - und der Kunde kann daraus ersehen, daß jemand seine eigene Arbeit schätzt und einen entsprechenden Preis dafür ansetzt. Und er kann vielleicht sogar daraus ersehen, wieviel Lebenszeit ein anderer dafür aufwendet, das gewünschte Produkt herzustellen, von den Kosten für das Material einmal abgesehen.
Das kann man auch hier auf Dawanda sehen: erfolgreiche Shops, die schon alteingesessen sind, kalkulieren ganz anders und bedeutend realistischer als Shops, die gerade erst anfangen und deren Betreiber außer von ihrem Hobby von Betriebswirtschaft und Ökonomie nicht viel Ahnung haben. Als Anfänger muß man vielleicht auch etwas andere Preise ansetzen als jemand, der schon auf eine gewisse Stammkundschaft und damit positive Mundpropaganda zurückgreifen kann.
Sodann - ein Jungdesigner, der am Anfang steht, und tatsächlich Einzelstücke oder Miniserien fertigt, muß beim Einkauf genau denselben Preis für sein Material bezahlen wie der private Kunde, der für sich selbst einkauft. Ein Gewerbetreibender kann da schon Mengenrabatte und gewerbliche Einkaufspreise miteinkalkulieren. Das ist einem Anfänger in der Regel nicht gegeben... und ich brauche normalerweise auch keinen 50-Meter-Ballen eines mit Äpfelchen bedruckten Stoffes !!  :-))
Das sind Verhältnisse und Gegebenheiten, die dem normalen Kunden verborgen sind - weil er sich nicht dafür interessiert oder weil er nur das Endergebnis sehen will - aber bitte billig, wenn´s geht. Oder weil eben niemand darüber spricht.
Wir leben in einer Art Schlaraffenland - mit offenem Mund unter einem Baum, der voller Zeug und Tand hängt, den wir eigentlich überhaupt nicht brauchen... aber weil´s eben schon da ist, müssen wir es auch kaufen, weil es ja im Schlaraffenland und billig ist. Und weil wir Angst haben, nichts verkaufen zu können, machen wir unsere Preise noch billiger als die der Konkurrenz, obwohl wir uns das überhaupt nicht leisten können. Aber darüber sehen wir hinweg, weil es ja schließlich das Schlaraffenland ist, wo nie jemand verhungert, man muß ja schließlich nur den Mund aufmachen, nicht wahr?
Fakt ist, daß sehr viele Anbieter auf Dawanda unterwegs sind, die sich selbst ausbeuten, die nicht rechnen können und sich unkollegial verhalten. Es muß doch jedem klar sein, daß wir Dawanda-Shopbetreiber nicht nur gegeneinander antreten sondern auch in Konkurrenz zur industriellen Massenproduktion made in Asia stehen, die im DIY-Look daherkommt. Da hilft es leider auch nicht, wenn man seine eigenen Vorstellungen von "das kann ich mir leisten" oder "so und so viel Geld bin ich bereit, dafür auszugeben" zur Preisfindung benutzt - vor allem dann nicht, wenn man gern auf Flohmärkten einkauft und sich die Preisvorstellungen quasi im 1€-Bereich bewegen... :-)
Einige erschrecken regelrecht, wenn sie sehen, wie lange es dauert, bis eine Jacke genäht ist. Selbst mit industrieller Nähweise ist sie nicht in etwa 10 Minuten fertig... was man aber denken müßte, wenn man sich die Preise beispielsweise bei KIK anschaut. Oder ein Edelmetall-Ring: viele sind nur bereit, den Metallpreis zu bezahlen- aber nicht die Arbeit, es zu einem Ring zu formen, zu schleifen, zu polieren, geschweige denn den Entwurf, die Geistesarbeit, die der eigentlichen Handwerksarbeit am Ring vorangeht...
Ein Handwerker verlangt pro Stunde zwischen 40 und 70 € - wieso wir DIY-Macherinnen nicht?

Mit dem Aufkommen der industriellen Produktion ging leider auch ein Absterben der traditionellen Handwerke einher, und damit ein Absterben der Kommunikation von Hersteller und Kunde. Das Kaufverhalten ist anonymisiert, von Regeln und Vorschriften, Rechten und Androhnung gerichtlicher Schritte und Mißtrauen geprägt, ein direkter Kundenkontakt findet selten statt, außer über Zwischenhändler und Verkäufer. Der Verhaltenskodex hat sich entscheidend geändert. Ein Onlineshop verbessert diese Situation leider auch nicht wesentlich, selbst wenn er noch so viele Individualisierungen anbietet.
Der Kunde erwartet niedrige Preise, obwohl er nur in den seltensten Fällen überhaupt weiß, wie diese zustandekommen. Dieses Verhalten - Kaufhausmentalität möchte ich das gern nennen - wirkt sich leider primär auf diejenigen aus, die nach wie vor im direkten Kundenkontakt stehen und zwingt sie, ihre Preise auf ein nahezu suizidales Niveau abzusenken. Bzw. verunsichert sie derart, daß sie früher oder später das Handtuch werfen... da sie nicht mit großindustrieller Produktion und ausbeuterischen Zuständen in den Herstellerländern mithalten können.

Fazit: Ich finde, man darf bei der Preisgestaltung einfach nicht davon ausgehen, was für einen persönlich die Schmerzgrenze beim Einkauf wäre, sondern was die Schmerzgrenze wäre, wenn man tatsächlich davon leben müßte.
Zur Erinnerung am besten noch einmal hier nachlesen:
http://www.stoffn.de/artikel/items/mathe-fuer-handmaids.html
Unsere Handarbeiten sind nicht irgendeine Massenware, made in Fernost von in 12-Stunden-Schichten schuftenden Asiatinnen, sondern Kunsthandwerk, in Deutschland von Hand hergestellt. Das DARF seinen Preis haben.

Herzlichst, Sathiya

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