Samstag, 14. April 2012

Was ich will - Gedankensammlung

Was ist es, was ich will? 
Eine Gedankensammlung

Ich möchte gern meine Sachen, die ich nähe, entwerfe, male, designe oder sonstwie herstelle, verkaufen. Und mit dem Erlös idealerweise meinen Lebensunterhalt bestreiten.
Aber ich fühle mich hin- und hergerissen und bin mir mit mir selbst nicht einig.

Was ist es:
--> Ich mache Unikate.
Das heißt, jedes Stück nur EINMAL, und zwar wirklich nur einmal und damit Schluß.
Nur - das wäre dann kein Herstellen sondern kreieren und müßte eher als "Kunst" deklariert werden.
Kunst ist doch was einmaliges, unverwechselbares, unwiederholbares?!
--> Ich stelle Kleinserien her - in Auflagen von 10, 20 Stück. Dann sind es aber keinen Unikate mehr, sondern ganz normale Massenprodukte.
Tu ich das? Will ich das?
Für ein Unikat - eine Einzigartigkeit - müßte der Kunde auch entsprechend viel ausgeben. Bei Massenware - egel wie gering die Masse letztendlich ist - hat er einen Anspruch darauf, daß auch der Preis entsprechend günstig ist. Oder sehe ich das falsch?
Ich habe um Meinungen zu einem meiner Artikel gebeten - und wurde als erstes mit dem der Kundin zu hoch erscheinenden Preis konfrontiert. Aber - wie stellt sie sich das vor?
Für ein Unikat (ein echtes) kann keine Preisgestaltung wie für Massenware oder Kleinserien angewandt werden.

Desweiteren, möchte ich, daß alle Welt oder ein größerer Teil davon in meinen Sachen und Klamotten herumläuft?
Nicht wirklich.
Ich hätte dann das Gefühl, ständig für all diese Leute verantwortlich zu sein und mir um sie und die von mir hergestellten Sachen Sorgen machen zu müssen. Je mehr Sachen und Leute, desto mehr Sorgen. UND ich hätte das Gefühl, mindestens für die Zeit der gesetzlichen Gewährleistungsfrist einen Verkauf nur unter Vorbehalt gemacht zu haben. Und jederzeit in Regreß genommen werden zu können.
Weil die Menschen von der echten Massenware und industrieller Herstellung und maschineller Fertigung derart verwöhnt werden, weil sie von der ständigen Verfügbarkeit von Ersatzware so verzogen sind, daß sie sich nicht vorstellen können, daß jede handgefertigte Sache auch entsprechende Merkmale aufweist, die eben nicht maschineller Signatur sind. Bzw. da ich nicht zuerst tausend linke Ärmel einnähe und danach 1000 rechte, sondern ein Kleidungsstück nach dem anderen mache, und deswegen auch kleine Unterschiede in der Näh- und Machart einfach normal sind.
Viele Menschen wollen 1a-Designerqualität auf Haute-Couture-Schneider-Niveau, aber alle wollen nur den Textildiscounter-Preis dafür bezahlen.
Wie soll das denn bitte schön funktionieren?

Als vor 10 Jahren der Slogan "Geiz ist geil" erfunden wurde, konnte sich keiner vorstellen, daß dieser Spruch einmal wie ein Bumerang zurückkommt und die gesamte Industrie- und Konsumentenlandschaft vollkommen auf den Kopf stellt. Die Menschen definieren sich seitdem zunehmend über die schiere MASSE an Besitz und scheren sich weniger um die Güte desselben. Hauptsache VIEL. Und BILLIG.
Ich sehe es jeden Tag: anstatt sich EIN Kleidungsstück für 130 € zu kaufen, welches dann auch entsprechend gut und hochwertig ist, kauft man sich zehn Teilchen - eins lumpiger und schäbiger als das andere und alle zusammen halten nicht mal halb solang wie das teurere Stück. Hauptsache, man hat ZEHN zuhause. Ehrlich, diese Mentalität verstehe ich nicht.
Eine Shopbesitzerin bei D. schrieb zu einem meiner Artikel einen Kommentar "130 €???", es ging um ein aufwendiges Mädchenkleid aus grünem Stoff. Meine Arbeitszeit dafür betrug über 4 Stunden, der Materialeinsatz 35 €. Was glaubte sie dafür ansetzen zu dürfen, wieso erlaubt sie sich, über mich und meine Artikel zu urteilen? Selbst bietet sie Babymützchen an - pro Stück verlangt sie 14,95. IHR Material- und Zeitaufwand für ca. 8 Mützchen ist exakt gleich groß wie meiner - hochgerechnet auf das Kleid. Wieso darf sie recht haben und das entsprechende Geld verlangen - und ich nicht? Weil ihre Artikel kleiner sind und auf den ersten Blick günstiger wirken?!

Leider kaufen viele Leute lieber mehrmals billige Sachen als einmal teurere.
Da einmal einen Euro auszugeben oder dort einen, das tut ja nicht weh. Und da viele Leute nicht rechnen können oder wollen, tun auch viele Male einen Euro auszugeben nicht weh... aber EINMAL 100 Euro auszugeben - DAS tut WEH. Die 100 Male vorher, da man immer nur einen ausgegeben hat, zählen ja nicht... das macht man eben so, das ZÄHLT ja nicht. Aber die 100 Euro, die sind dann plötzlich SOOO viel, ZU viel, das kann man sich jetzt nicht leisten, nein, auf keinen Fall. Man müsse ja sehen, wo man bleibt. Man könne allenfalls 50, nein eher nur 30 Euro ausgeben, und dann täte man dem Verkäufer noch einen Gefallen. (Man muß das Geld ja sparen, um für die nächsten 100 1€-Artikel genug Geld zu haben - aber das wird natürlich nicht erwähnt. Wenn man sich dessen überhaupt bewußt ist.)
Ist Geiz wirklich geil???
(Noch ein Wort zum Billig-Einkaufs-Wahn: meiner Meinung und Überzeugung nach bezahlt man das Billige mit  m e h r  als nur Geld. Mit Zeit, persönlicher Würde, Respekt vor sich selbst und anderen, der Umwelt, der Zukunft unserer Kinder und Lebensenergie. Gerade in Discounter-Läden wird das für mich SEHR deutlich spürbar. Soviel Energie habe ich nicht, um ständig bei *ld und Co. einkaufen zu gehen - das gibt mein Lebenskonto nicht her.)
Ich weiß nicht... ob ich mich wirklich darauf einlassen soll. Kann. Darf. Will. Muss. Als Hersteller und Verkäufer.

Noch ein Wort zum Kaufverhalten:
Viel zu viele Leute kaufen Sachen, die sie überhaupt nicht brauchen. Die Werbung und Reklame, die Medien und sonstwer erzeugen in ihnen ein Bedürfnis, ein künstliches Bedürfnis nach irgendwelchem Besitz, nach Tand und Glitzer oder billigem Schund, egal was, und suggeriert ihnen, sie würden glücklich werden - aber NUR DANN, wenn sie dieses und nur dieses Teil kaufen - was auch noch gerade im Angebot sei. Und die Leute stürzen sich darauf, als ob es kein Morgen gäbe.
WILL ICH MICH DARAN BETEILIGEN, ALS HERSTELLER???
Ich möchte nur dann nähen und Sachen herstellen, wenn ich WEISS, daß sie auch gebraucht und benutzt werden. Für Schrankleichen und Lustkäufer habe ich keinen Nerv - da würde mir meine Arbeit total sinnlos vorkommen.
Am liebsten auf die klassische (Schneider-)Art: Kunde kommt, bestellt, es wird angefertigt und bezahlt. Wieso geht das nicht mehr?

Und ein Letztes: die online-Plattform D*w*nd*, bei der ich ebenfalls einen Webshop eröffnet habe.
Zunächst war ich wirklich begeistert - ein  k o s t e n l o s e r  Onlineshop, ohne Gebühren. Nur ganz kleine, fürs Einstellen von Artikeln, und eine winzige Provision bei erfolgreichem Verkauf. Darauf läßt sich jeder gern ein - es gibt ja kein Risiko. Und nun wird diese Plattform regelrecht überlaufen von Menschen, die sich für kreativ halten, die ihre "Werke" abends vor dem Fernseher zurechtstoppeln und sie dort billig verschleudern.
Kreativ, darüber habe ich auch schon was geschrieben, ist NICHT, eine Auswahl aus 50 oder 100 vorgegebenen Designs zu treffen. Ganz und gar nicht. Sondern kreativ ist es - und zwar einzig und allein - diese Designs zu entwerfen, zu gestalten, ihnen LEBEN einzuhauchen.
Wer braucht einen 2000sten Shop, der Taschentuchtaschen (für Tempos) verkauft??? Ich persönlich habe NOCH NIE sowas gebraucht... und kann mir auch nur schwer vorstellen, daß IRGENDJEMAND soetwas im Ernst brauchen könnte. Oder "Mutterpasshüllen". Ein RIESEN-Renner im Online-Geschäft. WOZU braucht man das gleich noch mal?!?!? Ich habe zwei Kinder, und mir wäre es im Leben nicht eingefallen, mir sowas zu besorgen... Erstaunlicherweise gibt es kaum Angebote für Reisepasshüllen... vielleicht, weil man mit ihnen nicht angeben kann?! Oder Pixibuch-Hüllen. WOZU? So ein Murks... Pixibuch = 1 Euro, Buchhülle dazu 6 Euro. Wo ist da die Verhältnismäßigkeit? Ist die Hülle wertvoller als das Buch? Obwohl, wenn ich das nähen würde, würde ich auch soviel verlangen - aber dieser Artikel erscheint mir so SINNLOS zu sein.
Und die gesamte Plattform ist VOLL davon. Und die Angebot sind nicht mal schön oder besonders, einige sind sogar einzigartig in ihrer Häßlichkeit. Da kommt es mir manchmal vor, als ob eben jemand häkeln glernt hat und nun gleich das zweite krumme Blümchen seiner eigenen abendlichen TV-Sofa-Produktion zum Kauf anbietet. Oder jemand kauft sich eine Stickmaschine, kennt sich darauf noch nicht mal richtig aus und verkauft schon irgendwelche Stickereien. Und fragt im D*w*nd*-Forum nach Tips zum Bedienen ihrer Stickmaschine und macht überhaupt kein Hehl daraus, daß sie dieselbe erst seit drei Wochen habe und sie auch noch die erste "Sticki" überhaupt sei. Nein, das wollte ich auch nicht glauben!
Ich glaubte bisher, daß man sich nur dann was zu verkaufen traut, wenn das Produkt wirklich gut ist. Und höchste Ansprüche erfüllt - an Qualiät, Originalität, Güte des Grundmaterials und der Verarbeitung. Aber - jetzt kann JEDER seinen eigenen SHOP eröffnen... und seine Ideen und Einfälle so ganz nebenbei auch noch kostenlos irgendwelchen Idea-Hunters zu Verfügung stellen. (Die sich wahrscheinlich hemmungslos an der Kreativität anderer Menschen bedienen und sich noch ins Fäustchen lachen.)

Ich möchte sinnvolle Sachen herstellen, die auch gebraucht und benutzt werden. Mit denen ihre Besitzer und Benutzer glücklich sind. Schon fünf alte gebrauchte Mädchenkleider von meiner Jüngsten habe ich verkauft - zu einem sehr günstigen Preis, von durchschnittlich 11 Euro pro Kleid. Und habe mich sehr gefreut, daß die alten Kleider jetzt noch einmal getragen werden.
Nur - warum haben die Kundinnen das gekauft? Wegen des Preises? Da die getragenen Sachen bis jetzt die Einzigen sind, das ich verkaufen konnte, komme ich auf diese Idee... aber neue Kleider könnte ich auf keinen Fall für diesen Preis nähen. Selbst dann nicht, wenn ich keinerlei Kosten für Material hätte.
Wobei ich wieder beim Thema wäre - Geiz ist geil. Wie traurig...!

In dem Gefühl, daß diese und noch andere Gedanken noch mehrfach umsortiert und neu geordnet werden müssen, beende ich diesen Text.
Bis zum nächsten Ordnungs-, Sortierungs-, Ausdrucks-Versuch.   :-)

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