Donnerstag, 1. Dezember 2016

Postfaktisches Zeitalter?

Staundend las ich diese Floskel: man lebe heutzutage im postfaktischen Zeitalter.

WAS ist das?

Theorie: die normative Kraft des Faktischen hat ausgedient und wird durch die normative Kraft des Postfaktischen ersatzt.

WAS ist das??

Theorie 2: das Faktum ansich ist zu hart, zu bestimmt, zu diskriminierend, zu überprüfbar, Fehler werden sofort sichtbar, und das Faktum verzeiht nichts, genau wie ein Spiegel - deswegen kommt das Postfaktum ins Spiel. Es ist weich und anschliegsam, alle Welt fühlt sich super, wenn es sich an einen kuschelt.

WAS ist das???

Theorie 3: da wir in einer grausamen Welt leben, ist es nur verständlich, sich ab und zu eine kleine Auszeit zu gönnen, vor allem vor den harten Fakten des Lebens. Dazu wurden die sympathischeren Postfakten des Lebens erfunden, für gefühlte Fakten.

Theorie 4: die Bundeskanzlerin warf den Wahlbürgern vor, sie würden sich zu sehr in sozialen Netzwerken und Alternativmedien informieren, sie würden zu sehr auf "gefühlte Informationen" vertrauen und des wahrheitsliebenden Systemmedien nicht mehr glauben, die bösen unvernünftigen Kinder. Wer so handle, sei praktisch postfaktisch. Pikanterweise übersieht sie dabei eines: allein die Wahlplakate mit ihren Slogans, welche ihre CDU vor jeder Wahl überall aufhängenläßt, sind de fakto postfaktisch - infantil und weder Verstand noch Geist der Bürger ansprechend sondern allein auf ihre Emotionen abzielend. Der Bestaussehendste mit dem weißesten Lächeln gewinnt! Oder der, den die meisten Plakate zeigen.

Theorie 5: ich mag nicht mehr.

ich bin jetzt auch postfaktisch und shoppe meine Karte rotglühend. Wen interessieren schon Kontenstände und Überziehungsgebühren? Diese Banker sind ja sowas von altmodisch - sie sollen sich besser mal meine gefühlten Kontostand ansehen, da würden sie sehen, daß da noch viel viel mehr geht!
Postfaktisch leben hat was.
Bin ich nun als Finanzminister qualifiziert? Ich meine, seine Schwarze-Null-Politik scheint tatsächlich seit Jahr(zehnt)en schon was leicht postfaktisches zu haben...

Prost!

4 Kommentare:

  1. Hmm, fuehle mich jetzt fast wie ein lebendes Postfaktum = fucked ;-) :-D ?
    Aber mal Spass beiseite: Sprache ist nun mal was Lebendiges (= seeehr aehnlich der Hefe; aehnliches Expansionspotential ;-) ). SIE (Sprache) war auch einst unser EINZIGER Zoegerungsgrund f. die Auswanderung nach Australien.
    Detail Erklaerung:
    a) nicht mit Englisch aufgewachsen und dies dadurch auch niiiie zur Perfektheit je meistern koennen = Bedenken vs. unserer beider eher ueberdurchschnittlicher 'Kraft und Machtspielbreite' der eigenen Sprache
    b) wohl wissend, dass nach ca. 15 Jahren (spaetestens; nunmehr mM frueher :-o) eine sog. 'Verschlechterung' der Anwendung der 'eigenen Sprache' eintritt, wenn man in fremdsprachigem Ausland lebt.
    Leute, welche dann mit 'Daheimgebliebenen' (vor allem Youngstern: Nichten, Neffen & 'Co.' ) sich unterhalten, bekamen/bekommen dann mitunter schon kichernd ca. folgenden Satz ab ".... DUUU benutzt aber eine aaaltmodische Variante unserer Sprache ..." = jaaa, warum wohl ;-) ?

    Die 'postfaktische' Handhabung Deiner Kreditkarte wuerde ich mir an Deiner Stelle noch einmal ueberlegen; obwohl: es geht heutzutage ja sowieso auch auf dem Gesetzes-Sektor nix mehr als Strafe, WEGEN 'postfaktisch', oder ;-) :-D ?
    Einfache Rechnung:
    Dein derzeitiges Alter + Zeitspanne des damit involviertem Rechtsstreites = ohnehin evtl. dann auch mental ertraegliche 'Minimum-Hartz-sonstwas-Zeit' ?
    Ausserdem und in worst case (= hatten wir doch schon einmal frueher diskutiert): 'free food and accomodation auf Staatsbasis' als 'bad guy' ist mitunter qualitativ besser, als
    a) selbst dafuer sorgen muessen
    b) die Alternative des Staates fuer Einen als 'good guy'

    LG, Gerlinde
    ('interessante Zeiten' mir gerade 'zusammenreihmend', da auch die ital. EU-Begeisterung mittlerweile erfahren ^^. Berlin scheint aufgrund seiner Mengen an Baumassnahmen ohne evtl. einen 'D-Exit' zu befuerchten? )

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    1. Dieser Tage sogar als Riesenschlagzeile auf den Titelblättern.
      Die Welt samt allen menschen scheint verrückt geworden zu sein.

      Wenigstens die weihnachtsmärkte sich wie immer: völlig überfüllt, lärmend und überteuert. Man sollte eigentlich endlich mal eine Rettungsschneisenpflicht einführen - analog der Rettungsschneise bei Stau auf der Autobahn. Dann müßte man die Innenstadt nicht immer weiträumig umgehen, wenn man zur Arbeit will, sondern könnte direkt hindurchflitzen...

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    2. Rettungsschneise hast Du geschrieben; nicht 'Arbeitsrennstrecke' ;-) :-D
      Ich gestehe aber, dass dies wirklich jeeedes Jahr auch in Muenchen ein von den Obrigkeiten unberuecksichtigtes Drama war (seufz)
      Was mir stattdessen in Berlin aufgefallen ist: Strassenbetteleien scheinen dort wohl per Obrigkeit am Wochenende verboten zu sein? Oder haben auch 'Bettler' ihre 'festen Arbeitszeiten' ?
      LG, Gerlinde (Dir weiterhin Glueck wuenschend, 'bei Fluchtwegfindung' = denke ich mir aber hierzulande oefter mal an gaaanz normalen Einkaufstagen in eben so normalen Shopping Centres: das ist mitunter ein Geschlendere und 'Wegversperren f. Castagir-Typen' (und Aehnliche; ihr Ziel Wissende = mich :-o !) .... = manchmal wirklich zum aus der Haut fahren (wenn's denn ginge). Glorreich dann auch mitunter die verdatterten Blicke, wenn man hoeflich um 'Ueberholungserlaubnis' anfraegt (prust und unglaeubiges Kopfschuetteln)

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  2. PS: denke mir gerade, dass das Wort 'postfaktisch" aber sehr gut mitunter durch 'postfaekalisch" ersetzt werden koennte ^^ .
    LG, Gerlinde

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