... gibt es mehr als Sand am Meer. Jede, die glaubt, sie hätte der Welt etwas zu sagen, eröffnet einen Blog und notiert darin ihre Gedanken, ihr Tun, ihr wasweißich.
Besonders beliebt ist es, offen und aggressiv zuzugeben, daß frau nicht nähen kann, das überhaupt erst seit einiger Zeit (maximal 1 Jahr) tut, aber schon ein Shöppchen voller selbstgenähter Werke auf Dawanda eröfnet hat, sich bei Stoff- und Zutatenwahl nicht von gutem Geschmack sondern ihren aktuellen Gelüsten leiten läßt (grün und türkis, weinrot und grellbunt, grauweiß und knallrot, billig und billiger, Hauptsache bunt), desweiteren eine unglaubliche Zielsicherheit im Danebengreifen beweist (Stil? Ohne mich - was ist das???).
Die typische Strick- und Blog-Mutti ist eine, die Anfängerbücher gleich Dutzendweise kauft und DIY-Bücher und andere, egal welche, Literatur danach bewertet, ob sie auch anfängergeeignet sei, über die einfachsten Dinge seitenlange Tutorials verfaßt und diese 100fach weiterverlinkt, wie ein Hündchen den Blog-Stöckchen hinterherhechelt, die nur zuckersüße Kommentare verfaßt, alles toll findet, was die anderen in ihrem Dunstkreis tun, auf ihrem Blog nur x-mal liebeWorte lesen will, immer gespannt ist, was die anderen machen, sich in ihrer Entscheidung nur über eines sicher ist: daß sie nicht weiß, was sie will. Die angesagte Kleid-Mantel-Shirts mit Namen, Joana oder Johanna oder Adelia oder wie sie alle heißen deswegen nachnähen muß, weil alle anderen auch eine genäht haben. Die immer ihre Kinder, wahlweise 1, 2, 3 oder 4, als Alibi vorschickt, um eine 20. Kiga-Tasche oder 40. U-Heft-Hülle zu nähen, die selbst immer grau in grau trägt, und dafür die lieben Kleinen in grellpinkblaugrünbunt herumlaufen läßt, die immer probenäht und probestickt, sich tagelang über Stickdateien begeistert, immer der neuesten hinterherhechelt, die stolz verkündet, beim Kauf von Stoff/Essen/Krimskrams einen Euro gespart zu haben, indem sie 30 Kilometer mit dem Auto hin und 30 wieder zurückgefahren ist... Die immer einen vollen Terminkalender hat, die immer drei Sachen gleichzeitig zu erledigen hat, die immer schwer beschäftigt ist, die immer zu allem eine Meinung hat, die den anderen immer sagen muß, wo´s langgeht, die ihre eigene Auffassung und Lebensweise als erstrebenswert darstellt und von den anderen erwartet, diese Ansicht zu teilen. Die alles selbst macht, aus dem Grund, da ihr die käuflichen Dinge alle nicht gut genug seien - die mit den selbstgemachten Sachen ihren Dawanda-Online-Shop füllt und von den anderen erwartet, ebendiese Dinge zu kaufen (und was, wenn die anderen nun finden, das wiederum sei ihnen nicht gut genug?). Die anfängt, Schmuck zu häkeln, weil 100 andere Bloggerinnen das auch machen, die anfängt zu filzen, zu stricken, zu häkeln, zu sticken, zu wasweißich, nur weil es gerade Mode ist. Die sich darin gefällt, in Müby-Sprache zu reden, alles ist immer irgendwie toll, spannend, frau hüpft herum oder hinein oder hinunter oder hinauf, das Stöffchen lacht, die Maschine, pardon Näh-Ma bzw. Sticki bzw. Ovi singt, die Sachen sind alle zucker, die Farbkontraste sind hammer, die Applis brauche frau unbedingt auch, nach welcher Anleitung hast du das gemacht, das werde ich auch nachnähen oder nachbasteln oder nachhäkeln oder nachkochen oder nachbacken...
Die Strick- und Häkel-Super-Blogger-Mutti.
Diese Gedanken (obiger Text) sind mir aktuell beim Durchsehen der Beiträge (und besonders der auf den teilnehmenden Blogs verlinkten Seiten) zum gemeinsamen Wintermantelnähen bei Cat-und-Kascha gekommen. Sie waren so übermächtig, daß ich überlegte, meine Teilnahme daran zu beenden. Kann ich ohne weiteres, es gibt ja keinen Zwang bzw. eingetragene Mitgliedschaft. Es fängt an, mich es zu stören, wieviele beim Nähen mitmachen und eigentlich vom Tuten und Blasen keine Ahnung haben und dies öffentlich. Vielleicht wäre eine Challenge im Advanced-Bereich eher etwas für mich...?
Das Kuh-Herde-Prinzip: eine muht und die anderen traben hinterher. Momentan geht es um die Stoffauswahl für den Mantel. Die meisten wollen einen Wintermantel nähen und haben dazu vernünftigerweise einen Wollstoff ausgewählt. Dazu planen sie noch zusätzlich zum Futter - das flauschig sein soll - eine wärmende Einlage zu verarbeiten. (Mit einer Schneiderausbildung und entsprechenden Kenntnissen in Materialkunde würde es nicht einer einfallen, zusätzlich zum Wollstoff noch Warmfutter einzunähen - was man verwendet, um Chemiefaserstoffe WOLLE-warm zu machen) Aus lauter Angst, der Mantel würde nicht warm genug werden, glauben viele den Werbeaussagen der Warmfutterhersteller bzw. folgen blind der Masse, da ja die anderen ebenfalls die Folienmembran für innendrin verwenden, kann es doch nur gut sein, nicht wahr?!
Auf Qualität des Stoffes, Farbe und Materialzusammensetzung legt wohl auch kaum eine wirklich viel Wert, zumindest jene nicht, deren Beiträge ich mir heute angesehen habe. Oder sie wollen nur 3 Euro pro Meter ausgeben (das ist lachhaft, dafür bekommt man vielleicht einen Putzlappen, aber noch nicht einmal einen mittelprächtigen Wollstoff). Hauptsache billig. Und kaum eine scheint zu realisieren, daß sie ein Kleidungsstück für sich näht - und nicht für den Wintermantel-Sew-Along. Schon bei der Schnittauswahl ist mir das aufgefallen... Die größte Angst überhaupt scheint darin zu bestehen, den teuren Stoff zu verschneiden und ihn damit unbrauchbar zu machen. Mädels, wollt ihr nun einen Mantel nähen oder nicht?!
Einer Teilnehmerin habe ich einen Tip zu Stoffwahl und Stoffpreis gegeben: wie lange wird frau den Mantel voraussichtlich tragen und was wäre es ihr pro Jahr wert geteilt durch den individuellen Schmerzgrenzenfaktor... ergibt den Stoff-Kaufpreis, bei dem es frau nicht wehtut. Beispiel: ich möchte den Mantel mindestens 10 Jahre tragen. und pro Jahr 50 Euro ausgeben, was es mir wert wäre. Ergibt ein Materialbudget von 500 Euro für meinen Mantel... :-))) Pro Mantel benötigt frau je nach Modell und Länge, zwischen 2,50 und 4,00 Meter Stoff plus Futter plus Einlage plus Zutaten. Da kann frau locker mit einem Stoffpreis von 25 bis 40 Euro pro Meter arbeiten - und gute Qualität kann wirklich zehn Jahre lang und länger getragen werden. Zum Glück gibt es auch einige, die durchaus vernünftig und rationell an die Sache herangehen, mit Logik und gesundem Menschenverstand. Was bedeutet: ich gebe der Sache noch eine Chance.Viele Strick- und Mutti-Blogs werden von Frauen geführt, die ihre Wünsche als Frau hinter die ihrer Kinder stellen, auch wortwahlmäßig. Ich frage mich besorgt, was für Erwachsene einmal aus diesen Kindern werden sollen. Kinderzimmer in extremkunterbunt, die Mütter dazu in grau, schwarz, oliv, tarngrün, alle Wünsche der Kinder werden in "Mutti kann das" übersetzt und Mutti wetzt los und macht und tut... und wenn sie mal nicht mehr kann, dann ningelt der Nachwuchs - irgendwie auch berechtigt, denn man ist es ja gewohnt, das alles gleich nach Lustäußerung erfüllt wird...! Wohin das führt, sehe ich auf den Spielplätzen und bei Kindergeburtstagen, in Kauhäusern, Zoos und Eisdielen (da ganz besonders). Und das erschütternd ungezogene Verhalten der Sprößlinge wird später im Blog verbal bunt umhäkelt und zudem sich selbst angelastet (naja, so verkehrt ist das ja auch wieder nicht *g*), allerdings leider ohne die Konsequenzen daraus zu ziehen und eventuell in Betracht zu ziehen, etwas am eigenen Verhalten und Erziehungsstil ändern.
Viele Strick- und Mutti-Blogs werden von Frauen geführt, die im wahren Leben tough sind, stark, geradlinig, schnellentschlossen, stilsicher, souverän, perfekte Gastgeberinnen, Ehefrauen und Mütter, gleichermaßen gutaussehend in Abendkleid und Jeans, die dreimal wöchentlich ins Fitnessstudio, zweimal zum Yoga und einmal zur Paartherapie gehen (vorbeugend natürlich), die perfekt nähen, zeichnen, designen, basteln, stricken, Häkeln, schnitzen, entwerfen können, perfekt Klavier spielen, die gute Entscheider sind, das Familiengepäck für eine 3-Monatsreise innerhalb einer halben Stunde packen können ohne etwas zu vergessen, die gleichzeitig ein 5-Gänge-Menü kochen, die Zwillinge windeln, füttern und ins Bett bringen, den Wein wohltemperiert servieren, die Waschmaschine bedienen und die Spülmaschine ausräumen, nebenbei drei Telefonate führen und die neuesten Unternehmenskrisen beheben, sich den Lidstrich nachziehen und bestrickend lächeln können - während sie in Abendkleid und Highheels ein Fotoshooting auf der Balkonbrüstung im 34. Stock machen. (Achtung: das war Ironie. Oder eher Utopie? Wer kann schon wissen, was die Mädels in 10 oder 20 Jahren alles so drauf haben!)
*LOL* Das klingt alles ein bißchen nach Heidi Klum, oder? :-)))))))))))))))))))))))))))))))))) ich glaube aber kaum, daß sie ein Mutti-Strick-Blog führt...
Ach ja, schön wär´s. Sollte es eine geben, die das alles kann, bitte melden. Ich wäre schwer beeindruckt.
Wie immer entschuldige ich mich an dieser Stelle, sollte ich jemandem zu nahe getreten sein oder sich jemand persönlich angesprochen oder gar angegriffen fühlen. Die Meinungen über dieses Thema sind halt verschieden und ich äußere hier lediglich meine eigene. Das ist eben Geschmackssache :-) .
Best regards, Sathiya
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