In Antwort auf verschiedene Mails, die mich zum Thema Spielzeugnorm EN 71 und CE-Zertifizierung erreicht haben.
Liebe Damen und Herren, die sich hilfesuchend per Email an mich gewendet haben,
leider kann ich Ihnen nicht wirklich helfen, aber ich kann Ihnen einige unterstützende Worte mitgeben.
Häufige Fragen betreffen die CE-Zertifizierung.
Das Problem fängt ja schon bei der Materialbeschaffung an: kaum ein Hersteller rückt genaue Angaben über seine Produkte heraus - Schadstofftabelle, Labortests, Dokumentation des Herstellungsprozesses, der Lagerung, Verlagerung bzw. Transport usw. Sollte er aber - er wird aber vom Gesetz nicht dazu gezwungen. Wieso auch? Solange alles erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist...
Aber der Spielzeughersteller muß das alles haben. Und weil er es vom Materialhersteller nicht bekommt, muß er die entsprechenden Tests und Laboruntersuchungen selbst vornehmen und natürlich auch die Kosten tragen. Sodann - je nachdem was er fertigen möchte, muß er sich auch noch an den für seine Produktklasse geltenden Sicherheitsrichtlinien orientieren, diese strikt einhalten und auch penibel dokumentieren. Außerdem den Herstellungsprozeß planen, dokumentieren und Materialproben archivieren. Sonst noch was? Ach ja, sich von der Apotheke ein paar Zusatznerven holen... :-)
Hat er das alles getan, darf er, rein theoretisch, selbst ein CE-Zeichen draufkleben. Um sicher zu gehen, läßt er die Prüfprozess von einem anerkannten Labor oder TÜV oder anerkannter Prüfstelle für "Pipapo" (ich finde gerade keine genaue Bezeichnung - aber Google wird schon was rausrücken, wenn es lieb gefragt wird) vornehmen - und die machen es logischerweise auch nicht umsonst. Schön wär´s ...!
Ein Konformitätszertifikat (CE-Zeichen) können Sie sich selbst erteilen, sofern Sie die Richtlinien, die für Ihr Produkt zutreffen, genau einhalten. Dazu gehört die Dokumentation des Herstellungsprozesses (Material wie Karton, Farbe, Umverpackung, Etui; Druckmethode, Versiegelung oder Folierung), entsprechende Laboruntersuchungen auf Unbedenklichkeit (schädliche Stoffe oder giftige Ausdünstungen des Materials sollten unterhalb eines gewissen Grenzwertes liegen), Sicherheitsuntersuchungen (Entflammbarkeit, Reaktion mit anderen Stoffen, Löslichkeit, Scharfkantigkeit, verschluckbare Kleinteile usw.). Das können Sie bis auf die chemischen Labortests alles selbst machen - und alles gut dokumentieren!
Eigentlich könnten Sie mit Ihrer Akte nun hingehen und einen Prüfingenieur damit beauftragen, das zu überprüfen, durchzusehen und zu unterschreiben. Das wird er leider erst dann tun, wenn er alles SELBST kontrolliert hat. Da er mit seinem Wort dafür geradesteht, daß Ihr Produkt das Prüfsiegel zu Recht verdient. Deswegen der stolze Prüfpreis von beispielsweise 2000 € für ein Kartenspiel...
Sie könnten natürlich auch ohne eine solche Prüfung in Produktion gehen und Ihr Kartenspiel vermarkten - aber bei dem ersten Verdacht müssen Sie so oder so die Labor- und Prüfkosten ausgeben - um zu beweisen, daß Ihr Produkt sicher ist und den Richtlinien buchstabengetreu entspricht.
Also - leider kommt man nicht drumrum - Gesetz ist leider Gesetz, wobei egal ist, was einem lieber wäre.
Die nächste Frage betrifft die ominösen 200 €... das scheint wirklich viele auf diese Seite gezogen zu haben, in der Hoffnung, die Kosten würden dadurch im überschaubaren Rahmen bleiben. Ich muß Sie leider enttäuschen.
Die Zahl von 200 € habe ich aus der Luft gegriffen ohne es ernst zu meinen, einfach so, um die Unverhältnismäßigkeit des Verhältnisses von Prüfkosten zu Endverkaufpreis aufzuzeigen. Die tatsächlichen Prüfkosten liegen vermutlich um einiges, wenn nicht sogar um ein Vielfaches höher, als angegeben. Logisch, daß ich derartig hohe Prüfkosten nur dann auf mich zu nehmen bereit bin, wenn ich plane, eine gewisse Mindestzahl an genau gleich aussehenden Dingen zu produzieren. Was beispielsweise meine Pläne mit einem Kuscheldelfin und einem Kuschelsternchen ja schon selbst ad absurdum führt (siehe erster EN71-Post).
Noch einige Worte zum Thema:
Die Spielzeugnorm scheint mir dahingehend ausgelegt zu sein, daß sich die Tests, Sicherheitsuntersuchungen und das gesamte Prozedere der Zulassung bzw. Zertifizierung von Spielsachen nur für großmaßstäbliche Produktion eignen bzw. sich die Prüf-Kosten am erwarteten Gewinn für diese orientieren.
Ich glaube auch, daß die Gesetzgeber ursprünglich tatsächlich die Großfabrikanten härter in die Pflicht nehmen wollten, um die Konsumenten vor gefährlichem Spielzeug, Schadstoffen und billig hingeschlonztem Schund zu schützen.
Tja, leider ging der Schuß nach hinten los - und traf und trifft kleine Hersteller.
Den billigen Schund, der teilweise auch noch gefährlich ist, gibt es immer (oder trotzdem) noch... was man sehr schön an den vielen Rückrufaktionen für Spielzeuge sehen kann. Na, solange die Anwaltskosten aus der Portokasse bezahlt werden - und die zuständigen Gerichte in China sitzen...
Wo sind denn die kleinen Spielzeugmanufakturen hin? Wo die Puppen- und Teddyhersteller, von denen es früher Dutzende im deutschsprachigen Raum gab? Wo die kleinen Bilder- und Kinderbuchverlage? Allenfalls einige Sammlerpuppenhersteller sind übriggeblieben (wobei ich mir nicht vorstellen kann, daß sie sich noch allzu lange halten - denn laut Definition ist alles als Spielzeug einzustufen, womit ein Kind spielen kö n n t e).
Fast die gesamte Spielzeugproduktion ist ins Ausland verlagert worden - dorthin, wo die Prüfkriterien nicht so streng bzw. sogar überhaupt nicht vorhanden sind.
Was Ihre geplante Produktion angeht, liebe Leser, Hilfesuchende, künftige Spielzeughersteller - wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen die Nervenstärke und Geisteskraft, sich erfolgreich mit der vermurksten Gesetzgebung auseinanderzusetzen und als Sieger daraus hervorzugehen. Lassen Sie es mich bitte wissen, welche Fortschritte Sie erzielt haben! Und auch wie genau Sie vorgegangen sind. Diese Erkenntnisse können Sie auch sehr gut mit allen betroffenen Kleinherstellern teilen, man wird Ihnen dankbar sein.
Bitte beachten: das ist keine Rechtsberatung! Nur gesunder Menschenverstand und meine eigene Interpretation der Gesetzeslage.
Herzlichst, Sathiya
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