Montag, 1. Oktober 2012

Kleider machen Leute - Leute machen Kleider

http://spaten-und-faden.blogspot.de/2012/09/posts-die-die-welt-nicht-braucht-15.html
(kein Hyperlink, Text von da)

Leute machen Kleider

Mode ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Mode meint den Zeitgeschmack und an dem hat schon lange teil, wer es sich leisten konnte und durfte. In vergangenen Epochen wie beispielsweise Renaissance, Empire, Biedermeier, Barock oder, oder . . gab es einen Zeitgeschmack, der in der Architektur, in der Kunst, aber auch in der Kleidung seinen Ausdruck fand.
Neu an der Mode sind zwei Dinge: Es können mehr Menschen als je zuvor an der Mode teilhaben (Oder werden es gerade wieder weniger?). Mode war schon immer der Oberschicht und dem Bürgertum vorbehalten. Mode kann sich leisten, wer auch sonst einen gehobenen Lebensstandard hat. Und eben das gilt in der westlichen Welt für mehr Menschen, als in früheren Jahrhunderten. Weite Teile der Bevölkerung haben einen sehr hohen Lebenstandard erreicht. Die Mehrheit der Bevölkerung gehört zur Mittelschicht. Und das ist durchaus neu.
Zum 2. ist die Mode sehr, sehr kurzlebig geworden. Noch in den 1920er Jahren mußte sich eine Arbeiterin mit nur einem modischen Sonntagskleid begnügen. Die meisten Menschen kamen in den Zeiten vor dem Zweiten Weltkrieg mit nur einem Koffer voll Kleidung ein ganzes Leben lang aus. Aus Jahrhunderten sind Jahrzehnte geworden. Und im Bereich der Kleidung ist die Mode noch sehr viel kurzlebiger: Der Trend geht zur reinen Saisonware.
Diese kurzzeitigen Trends werden von der Industrie selbst erzeugt. "Zeitschriften", die den Namen kaum verdienen, Kataloge, Fernsehproduktionen haben das Ziel uns mit neuen Trends bekannt und vertraut zu machen. Und so Bedürfnisse zu wecken, die gar keine sind. Die Modeindustrie hat kein Interesse daran, dass wir unsere Mäntel und Hosen tragen, bis sie verschlissen sind. Eine riesige Industrie lebt davon, dass wir mehr kaufen, als wir wirklich brauchen. Auch wir Näherinnen sind davon nicht frei. Wir kaufen nicht nur Kaufkleidung dazu, wir produzieren auch mehr Kleidung, als wir tatsächlich brauchen, von unseren Stoffbergen mal ganz zu schweigen. Ein riesiger Molloch lebt vom Konsum und ist auf ständige Steigerung angewiesen. In Deutschland kommen im Jahr 2000 auf 700.000 abgelegte Kleidungsstücke 1.000.000 Neukäufe. Nur mal so als Beispiel.

Kleider machen Leute? Alle scheinen es zu glauben und danach zu leben. Das perfekte Styling. Die "richtige" Garderobe für jeden Figur-Typ. Neueste Trends oder Chanel-for-ever. Wir scheinen nur noch für unser Äußeres zu leben? Es ist so unglaublich wichtig, nur Kleidung zu tragen, in der meine Beine länger aussehen, meine Taille betont wird,  mein Bauch versteckt wird, mein Busen zu Geltung kommt und meine Hüften meine Weiblichkeit betonen! Auch du liebes Lieschen.

Nein, Kleider machen keine Leute.
Kleidung ist unsere zweite Haut. Sie bedeckt uns, schützt uns vor Blicken, Kälte, Regen und Sonne. Sie schützt im Alltag unsere empfindsame Haut. Kleidung ist die Hülle, das Fenster, durch das wir die Welt etwas von uns sehen lassen. Ein Sprachrohr, durch das wir mit der Welt um uns herum kommunizieren. In unserer Kleidung stecken wir selber. Sie erzählt von uns und sie bildet uns ab. In der reichen Überflussgesellschaft Europas, in der wir leben, können wir es uns leisten, mit unserer Kleidung zu spielen. Wie will ich heute aussehen? Was will ich heute von mir zeigen? Meine Kleidung ist im besten Fall ein Teil von mir. Und ich, das ist eine Summe aus meiner Figur, meinem Körper, meinem Alter, meiner Bildung, meinem Stand, meinem Beruf, meinem Leben, meinen Zielen, Plänen, Wünschen, meiner Zukunft, meiner Vergangenheit. Alle Schicksalsschläge meines Lebens strecken in meinen Kleidern. Meine Macken, meine Lernfelder und meine Defizite und zwar nicht die körperlichen! Unsere Kleidung ist Spiegel unserer Seele. Leute machen Kleider. Ich ziehe mich lustlos an, weil ich müde und allem Schnickschnack überdrüssig bin. Ich lasse Accessoires weg, weil ich hypersensibel bin und Starre, Enge und alles Überflüssige kaum ertrage. Im Leben nicht und nicht in der Kleidung. Die eine liebt Orange. Ein Ausgleich für Sterilität und Langweiligkeit? Ein Ausdruck der Lebendigkeit. Die Andere kleidet sich unübersehbar bunt: Hier bin ich! Eine schwankt immer wieder zwischen den Stilen: romantisch - klassisch - sportlich. Sie kann sich nicht festlegen oder ist sonst alles so festgelegt, dass wenigstens hier die Freiheit her muss, die die Seele braucht? Die Nächste näht Kleid um Kleid: Überfluss, Fülle & Reichtum! Als Ausdruck einer reichen Seele oder als Sehnsucht? Wer weiss. Unsere Seele wählt sich die Garderobe, die sie braucht. Denn sie redet mehr mit, als uns lieb ist. Heute muss es schwarz sein! Oder grau? Dann her damit. Auch wenn Himbeerrot so schön leuchtet. Es ist nicht jeder Tag himbeerrot. Leute machen Kleider!

Und wenn wir versuchen einander in Formen zu pressen, dann wird es schwierig. (Und zwar nicht nur beim Nähen...) Du bist ein O! Trage keine weiten Hosen! Du bist ein Herbst: schwarz macht dich blass und krank! Du bist dies, du bist das. Trage immer Empire-Kleider! Das bist du! Nein, bin ich nicht. Zumindest nicht jeden Tag. Schenken wir uns doch Freiheit. Nicht jede Frau träumt davon eine Prinzessin zu sein. Nicht jede Frau möchte Männerblicke auf sich ziehen. Nicht jede Frau setzt alles daran wie ein Vogue-Cover auszusehen. Vielleicht ist das dein innerstes Bedürfnis, dann los. Aber so wie die Uniform aus Jeans & Outdoorjacke eben nur eine Uniform ist, die ganz vielen Frauen nicht entspricht, ihre Lebendigkeit nicht widerspiegelt, so kann auch der Traum á la Vogue-Cover eine Uniform sein, die den Menschen hinter der Hülle auf der Strecke läßt.

Schenken wir uns doch die Freiheit des eigenen Stils. "...und machen uns ´nen Schlitz ins Kleid und finden´s wunderbar!" 

Danke Michou für die Anregung.

Ein anderer lesenswerter Beitrag dazu:  http://www.michou-loves-vintage.de/wordpress/?p=5308
Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich wünschte, der Text wäre von mir.
Greetings, Sathiya

Ich entschuldige mich für die Übernahme des Textes und werde ihn nach Aufforderung wieder entfernen. Er ist aber so genau, so gut und treffend, daß ich nicht widerstehen konnte. Ich wünschte bloß, er wäre von mir...

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