Ich erzähle solche Geschichte ja nicht gern selbst, aber diese hier ist direkt aus dem Leben:
http://pflegenot2014.wordpress.com/2014/01/19/ich-habe-sie-gehort (kein Hyperlink)
Eine Schicht auf einer Intensivstation, irgendwo und irgendwann in Deutschland. Es könnte überall sein. Und jeder Mensch, der einem begegnet, könnte eine Pflegekraft sein, die gerade ihren Dienst auf Intensiv hinter sich hat, an welchem sie wie schon oft zuvor an ihre Grenzen, mental, psychisch, physisch, gelangt ist.
Für mich ein Blick zurück. Nicht lustig. Die Beschreibung des Dienstes liest sich ziemlich hektisch, teils unorganisiert, unstrukturiert, man fragt sich, wie man nur so arbeiten kann, - und ist leider kein Stück übertrieben...
Wer Intensivstationen von innen kennt, weiß, daß sie meist unübersichtlich, verwinkelt, mit langen Wegen gebaut sind (weiß Gott, den Architekten bekäme ich gern mal in die Finger), und teilweise in Räumlichkeiten residieren, die für ganz anderes vorgesehen waren. Dazu kommt, daß zu wenige Pflegepersonen für zu viele Patienten verantwortlich sind, und rein zeitlich gesehen schon die größte Mühe haben, den ganz normalen Arbeitsumfang zu bewältigen, von Notfällen, Besuchern und klingenden Patienten mal ganz zu schweigen. Rennende Schwestern sind ein alltäglicher Anblick und außer in Fernsehserien nicht romantisch oder gar heroisch.
Tage wie diesen kenne ich nur zu gut, und meist war ich einfach nur heilfroh, wenn sie endlich vorbei waren und keiner gestorben. Und die Ablösung pünktlich kam (wenn sie kam). Um zuhause todmüde ins Bett zu fallen oder gereizt herumzufauchen und mindestens eine Stunde RUHE vor Beginn des Familienprogramms zu brauchen. An die Patienten, die leidend auf ihre Medikation warten oder gar noch mehr brauchen als arbeitstechnisch einkalkuliert ist, darf man überhaupt nicht denken... von Notfällen ganz zu schweigen. Zynismus, Verrohung und Burnout sind vorprogrammiert.
Kein Wunder, daß der Großteil des Personals auf Intensivstationen relativ jung ist, denn ab einem gewissen Alter schafft man das rein körperlich nicht mehr. Der Streß ist immens, dazu die extreme Verantwortung. (Von den Ärzten rede ich mal nicht, die haben´s auch nicht einfach - was ja auch keiner anders behauptet hat ;-) - und sie haben längst ihre eigene Bibel - The House Of God)
Ich unterstütze die Intention des Blogs Pflegenot, den Pflegenden eine Stimme zu geben.
Die Ist-Situation:
Das Pflegepersonal ist nicht überfordert, sondern unterbesetzt und unterbezahlt.
Das
Pflegepersonal ist sogar alarmierend unterbesetzt; die
Patientenschlüssel, die ohnehin schon extrem knapp kalkuliert sind,
werden nicht eingehalten, sondern im Einzelfall bis zu 50 %
unterschritten.
Das Pflegepersonal ist keine wegkürzbare Position im Klinikhaushalt, sondern notwendiger Aktivposten.
Das Pflegepersonal lebt von kleinsten Anerkennungen und ist in der Lage, mit minimalem Lob und so gut wie keinem finanziellen Ansporn maximale Leistungen zu bringen. Sie arbeiten auf Stationen, die häufig mehrere freie nicht besetzte Stellen haben, und müssen trotzdem die volle Leistung bringen. Die ersten, die freiwillig auf Teile ihres Gehaltes verzichten, sind Pflegekräfte. Und meist auch die einzigen. Weil man es von ihnen erwartet. Weil ja jeder pflegen kann - dazu gehöre ja nicht viel... deswegen könne man erwarten, daß da finanziell zurückgesteckt wird. Fremde Hintern abwischen wird man wohl noch hinkriegen... *böse grins* (höchstpolitischerseits festgestellt. Von Gabriel, wenn ich mich nicht irre? Oder war es Steinmeier?)
Das Pflegepersonal leidet außerdem massiv am Helfersyndrom.
(Unter Pflegepersonal verstehe ich hier examinierte Pflegekräfte. Pflegehelfer, Angelernte und Aushilfen tun ebenfalls ihr bestes, ich möchte ihre Leistung in keiner Weise schmälern.)
Das Pflegepersonal braucht endlich eine Stimme, die ihre Interessen vertritt, da sie es selbst nicht schaffen. Warum? Weil sie nach Arbeitstagen wie diesen einfach keine Zeit und Kraft mehr übrig haben, sich resolut für ihre eigenen Interessen einzusetzen. Weil sie sich stattdessen erholen müssen, um weiterhin Kranke pflegen zu können, und dies auch wollen. Hier kommt die Bezeichnung Beruf tatsächlich noch von Berufung... Wenn man sie pflegen läßt (anstatt sie zu irrwitziger Dokumantationsbürokratie zu zwingen) und sie adäquat bezahlt. - Ich wünsche mir:
Weniger Dokumentation, dafür mehr Pflege am Kranken.
Weniger Gewicht auf materiell abhakbare (Behandlungs-)Pflege, mehr Gewicht auf die Beziehungen zwischen Patient und Pflegekraft (Vertrauen, Stetigkeit, Zuverlässigkeit). Pflege ist auch mal ein Gespräch, die Hand halten, zuhören. Dazu gehören auch weniger Patienten pro Pflegekraft, vernünftigere und der tatsächlichen Leistung angepaßte Bezahlung.
Kein Kosteneinsparen auf dem Rücken des Pflegepersonals.
Keine Personalkürzungen bei gleichbleibendem oder gar steigenden Arbeitsumfang.
Kein Ersatz der examinierten/erfahrenen Kräfte durch Billiglöhner, Pflegehelfer und Praktikanten (alles schon gehabt - für alle Beteiligten der pure Horror! Man konnte schon froh sein, wenn sie wenigstens deutsch sprachen...).
Überstunden sollten die Ausnahme sein und nicht die Regel.
Urlaub wird in Zeit gewährt und nicht ausbezahlt (... weil man ja so gern auch in seinem gesetzlich vorgeschriebenen Erholungsurlaub auf Intensiv arbeitet. Für einzelne mag das durchaus zutreffen, aber hallo? ich habe noch ein Privatleben, wie so viele andere).
Ist das Utopie?
Keineswegs. Sondern der richtige Weg. Heute ist es leider so, daß pro Jahr mehrere Zehntausend (!!) Patienten in Krankenhäusern infolge von Behandlungsfehlern sterben - Behandlungsfehler, die leider nicht nur den Ärzten anzulasten sind, sondern auf ineffiziente Strukturen, Kommunikationsprobleme, Übermüdung infolge von Doppelschichten, Arbeitsüberlastung und auch Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal zurückzuführen sind.
Heal the world, make it a better place... ;-)
Sathiya