Ich habe 1995 die Taschenbuchausgabe vom S.Fischer-Verlag gekauft und seitdem x-mal gelesen, ich kenne den Roman praktisch auswendig. Kürzlich fiel mir in einem Antiquariat die gebundene deutsche Erstausgabe von 1992 in die Hände, ich habe sie hocherfreut gekauft und sofort begonnen, sie zu lesen.
Bei der Lektüre war ich erst erstaunt, dann verwundert über mein anscheinend fehlerhaftes Gedächtnis. Es dauerte lange (fast das halbe Buch), bis ich auf die Idee kam, daß die zwei Ausgaben voneinander abwichen.
Sogar erheblich abweichen, beispielsweise hat meine Taschenbuchausgabe neben Kleinigkeiten wie veränderten Namen, Kapiteln und Episoden sogar ein anderes Ende als die Ausgabe von 1992.
Also, das hat mich ehrlich und ernstlich verwundert, fast schockiert.
Wo ist eine Erklärung dafür zu finden?
Die Kundenrezensionen bei Amazon waren ein wenig hilfreich, schrieben dort glücklicherweise auch einige, die den Roman im amerikanischen Original gelesen hatten. Der Roman muß wohl erheblich gekürzt, geändert und umgeschrieben worden sein, um den Lesegewohnheiten des deutschen Publikums (hah!!!!) zu entsprechen. Ich möchte gern weinen... aber das ist noch nicht alles. Da ich in der glücklichen Position bin, zwei Ausgaben zu besitzen und vergleichen zu können, bin ich die Bücher Seite für Seite durchgegangen. Sie sind seitenweise identisch, obwohl zwei verschiedene Setzereien daran gearbeitet haben, und dann wieder seitenweise umgearbeitet und ganz anders geschrieben.
Kurz hatte ich mir sogar überlegt, mir eine aktuelle Ausgabe zu kaufen, um auch sie zu vergleichen - aber was hätte das gebracht? Außer mich noch mehr zu ärgern - nothing. :-)
Dieser Artikel im Spiegel (Printausgabe von 1992) liefert eine mögliche Antwort:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13682739.html (kein Hyperlink, kursiver Text von da)
... Das wurmt; und jetzt will er wenigstens das "Rheingold" heben, und er kriegt es. S. Fischer erwirbt das Manuskript von der New Yorker Agentur Elaine Markson, die die Weltrechte an Grundys Debüt besitzt. Dem Verlag wird zugestanden, den Stoff als Originalausgabe herauszubringen und damit für die weitere Vermarktung gleichsam den Prototypen zu schaffen.Na, wer sagt´s denn! Ursache gefunden - über den Autor und dessen Text darf uneingeschränkt verfügt werden. ^.^
In der Bücherbranche ist das keine alltägliche Offerte. Die Amerikaner setzen da ganz bewußt auf einschlägiges Know-how - "nach der ,Avalon''-Produktion trauten die uns ein bestimmtes Händchen auch für den germanischen Urgrund zu", erläutert Fischers Pressesprecherin Martina Gollhardt. Und wichtiger noch: Der deutsche Vertragspartner darf über den Autor und dessen Text uneingeschränkt verfügen. ...
Allerdings erklärt es nicht, warum sich meine zwei Ausgaben so unterscheiden. Ich ging bisher - blauäugig und naiv - davon aus, daß bei Literaturwerken die gebundenen Ausgaben mit den Taschenbuchausgaben vom Text her identisch wären. Es sei denn, es ist extra vermerkt, es handle sich um eine Neubearbeitung, Neuübersetzung oder Spezial-Ausgabe.
Das ist die eine Seite des Ärgers. Die andere ist viel massiver und berührt mein Urvertrauen in die Übersetzung: in den Buchrezensionen beispielsweise wurde die Qualität der Übersetzung von Kennern der amerikanischen Ausgabe heftig kritisiert, und bemängelt, daß die deutsche Ausgabe verstümmelt sei. (- und ich frage mich eben, von welcher Ausgabe genau die Rede ist?) Einer bezweifelte, daß derart massive Eingriffe in den Originaltext gestattet seien und verstieg sich sogar zu dem Wunsch, jemand solle dem Übersetzungs-Duo mit ihrem eigenen Wälzer dafür auf die Finger hauen... ich schließe mich diesem Wunsch übrigens an. Was erlauben Strunz!!! :-)
Wie kann ich jemals wieder bei einem übersetzten Buch darauf vertrauen, daß die Übersetzung wortgetreu und korrekt ist...?
Auf meinem Wunschzettel steht seitdem "Rhinegold" im Original. Auf daß es helfen möge. ;-)
Habt es fein - Sathiya