inspiriert von castagiro.wordpress.com
Zwei junge Mädchen, halbe Kinder, sind tot. Eine schreckliche Tragödie.
Über meine Gefühle dieses Unglück betreffend und meine große Angst, meinen Töchtern könnte ein ähnliches Unglück zustoßen, möchte ich nicht sprechen. Die Familien tun mir sehr leid. Der Lokführer tut mir zutiefst leid...
Ganz Deutschland stellt die Schuldfrage und fragt sich ganz nebenbei, wie es passieren konnte. Man ist sich einig - es waren die fehlenden Schranken: der Fußgängerbahnübergang war nicht mit automatischen Schranken ausgerüstet, sondern nur durch ein Gitter/Geländer gesichert, und mit einer Lichtsignalanlage, die "zu hoch" hing und damit außer Sicht.
Wirklich? Oder war es eher das Wetter - Regen, Nacht und Nebel?
Was ist geschehen? - Mögliche Szenarien.
Was, da leuchtet ein rotes Licht? Nicht für mich - hier ist doch keine Schranke... BUMMM.Mit gehöriger Vorsicht und Umsicht wäre das Unglück sicherlich zu vermeiden gewesen: Umstände wie Regen, Nacht und Zugverkehr auf einer Strecke mit unbeschränktem Bahnübergang einzuberechnen und sich entsprechend zu verhalten. Oder ist einem Mädchen direkt auf den Gleisen schlecht geworden? Ohnmächtig? Davon war bisher nichts zu vernehmen, deswegen gehe ich von einem Fehler der beiden aus. Der sie das Leben gekostet hat.
Da stehen Autos am Bahnübergang - aber ich muß nicht stehenbleiben - BUMMM.
Vorsicht, ein Bahngleis, der Zug!!! Ach was, das schaffen wir noch - BUMMM.
Mein Freund hat *kicher*, also er hat *kicher*, und dann hat er gesagt, und dann *kicher* und dann und - BUMMM.
Wer ist also schuld? Wo liegen die Fehler? Elterliche Erziehung? Schulische Erziehung?
Ich wundere mich überhaupt seit vielen Jahren (seit meiner eigenen Schulzeit schon), wieso in den Schulen in den höheren Klassen keine Verkehrserziehung (Straßenverkehr ;-) ) unterrichtet wird. Mit besonderem Augenmerk auf Eigenverantwortung, Rücksichtnahme und Verhalten an gefährlichen Stellen wie Autobahnen, Kreuzungen, Bahnübergängen... das bleibt allein den Eltern überlassen - aber diese interessiert es, so scheint es, nicht allzu sehr. Nicht genug, um ihren Kindern an gefährlichen Bahnübergängen das entsprechende Benehmen beizubringen... lieber schimpft man wortreich gegen die böse Bahn und fordert Schranken und Zäune. Ist ja auch einfacher, nicht? Anstatt den Bälgern rechtzeitig das Schwimmen beizubringen, wird erst dann hektisch agiert, wenn sie bereits in den Brunnen gefallen sind - und dieser dann zugenagelt. So.
Ich glaube nicht, daß meinen Kindern soetwas passieren würde - sie würden sich angemessen vorsehen an gefährlichen Stellen, ihre Augen aufmachen und ihren Verstand benutzen. (ich hätte ihr Gehirn schon mit 5 Jahren resettet, wenn sie sich ausgerechnet auf einem Bahnübergang irgendwelche Seifenopern auf ihren i-phone angeschaut oder sich über das nächste i-Dudel-Lied gestritten hätten.)
Würden mehr Zäune, Schranken, Sicherheitssysteme, Lichtsignalanlagen helfen?
Zwei Kinder sind tot, sie waren vielleicht achtlos, sorglos, vom jugendlichen Gefühl der Unsterblichkeit erfüllt und haben nicht auf die Vorschriften ihrer Eltern gehört - aber sie selbst und keiner sonst war schuld, daß sie auf den Gleisen starben. Es ist unfaßbar und schrecklich. Ich verstehe auch die Eltern, die halb wahnsinnig vor Schmerz und Trauer einen Schuldigen benannt haben und von ihrer Verantwortung freigesprochen werden wollen.
Aber die zwei 15jährigen waren keine Kleinkinder mehr, die ständig beaufsichtigt werden müssten. Sie konnten eigenverantwortlich handeln, haben es getan und es mit dem Leben bezahlt. Das ist tragisch, und läßt sich nicht mehr durch noch so große Betroffenheit oder Aktionismus rückgängig machen.
Werden andere Kinder durch flugs installierte Schranken besser geschützt sein? Man wagt es zu bezweifeln... und der Argumentation einer Kommentatorin folgend - eher nein. Ihre Begründung: wann hätten sich 15jährige je permanent an die Vorschriften ihrer Eltern gehalten. Was hülfe da eine Schranke? Wird sie eben überklettert, während fräulein vom boyfriend schwärmt, und dabei den Zug, die Lichter, die Bremsen, die Warnsignale übersieht und überhört.
Nun ja, vielleicht hülfe sie doch. Wenn fräulein eine kleine unsportliche Dickmadam wäre, die zu bequem zum Klettern ist.
Zwei Kinder sind tot - die auf dem Weg waren, sich Klamotten zu kaufen, nachts, bei schlechter Witterung, über einen Bahnübergang.
Darwin sagt: survival of the fittest. Als Einzelfall gesehen ist der Unfall tragisch, im Bezug auf die Menschheit gesehen - Auslese. Nicht fit genug, selbst auf sich aufzupassen - bei Nacht, Regen, Bahngleisen. Achtlos, darauf vertrauend, daß schon nichts schlimmes passieren würde. Nicht fit genug, nicht klug genug, nicht aufmerksam genug.
Wir sollten uns und unsere Kinder nicht so sehr in Watte packen, sondern uns und ihnen mehr zutrauen und deutlich mehr abverlangen. Erwachsensein sollte sich nicht nur im Bedienen eines Gaspedals oder eines Geldautomaten erschöpfen, sondern auch ganz einfache grundlegende Überlebenstechniken beinhalten, wie beispielsweise Beobachtungsgabe, Aufmerksamkeit, Voraussicht, Abschätzenkönnen, realistische Selbsteinschätzung - das sollte uns dazu befähigen, einige Gefahren des täglichen Lebens besser zu erkennen, ihnen zu begegnen und/oder auszuweichen und sie zu meistern.
In einigen Urgesellschaften und Naturvölkern ist es gang und gäbe und für das Überleben des Volkes von größter Bedeutung, daß der Nachwuchs fit, stark, klug, mutig, gewandt, aufmerksam, lernfähig, vorausschauend usw. ist. In Watte gepackt wird da niemand, das kann sich das Volk, kann sich der Stamm nicht leisten. Wer die erforderliche Leistung nicht bringt - der bleibt eben zurück. Darwin. Wenn das Volk verweichlicht, wird es früher oder später untergehen.
Und - wohin gehen wir? Die Frage drängt sich mir eben auf...
Mehr Zäune und Schranken ist der einfachere Weg. Noch mehr ausgelagerte Sicherheit, noch mehr Watte, noch mehr unbedachter Unachtsamkeit den Weg ebnend. Aber er ist auch bequem, den Drang danach, "etwas zu tun", befriedigend, keiner muß mehr groß nachdenken oder sich um etwas sorgen. Folgen Sie einfach den Anweisungen, beachten Sie die Grenzen, Schranken und Lichter, und keinem wird etwas geschehen. Live aus: Das Leben einer Laborratte. Oder: Ein Leben am Gängelband.
Die Verantwortung für sein eigenes Leben, das eigene Handeln und Tun selbst in eigener Person zu übernehmen, und auch die daraus folgenden Konsequenzen zu tragen - ist der schwerere Weg. Wildnis, Gefahr, Eigenverantwortung und Verantwortung der Gemeinschaft gegenüber. (Ich gebe zu, ich bin eben etwas vom Film AVATAR beeinflußt ;-) - Ich weiß auch nicht, aber dieser Weg gefällt mir besser. Und wenn ich dafür die bequeme Sicherheit meines deutsch-zivilisierten Lebens aufgeben müßte? Und wenn schon... )
Mein tiefstes Mitgefühl ist bei den betroffenen Eltern, den Augenzeugen, den Rettungssanitätern, allen Beteiligten und allen, die ebenfalls durch ein Unglück einen geliebten Menschen verloren haben.
Sehr nachdenklich, Sathiya
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