Donnerstag, 4. Oktober 2012

Sumangali 2 - Meinungen

Als Antwort auf den Beitrag Sumangali (auf "Sathiya 2"-wiesamtundseide.blogspot.com) erreichte mich dieser Kommentar. Ich finde ihn sehr lesenswert, beleuchtet er doch eine Seite der Sumangali-Geschichte, die eher hier in der westlichen Welt spielt und nicht in Indien. Wir empfinden uns als unschuldig und im Zugzwang, in dieser Gesellschaft nach ihren Regeln mitzuspielen, weil wir uns sonst außerhalb der Gesellschaft stellen, und spielen damit den entsprechenden Industrien unwissentlich und ungewollt in die Hände.
Ich möchte ihn hier ungekürzt und umkommentiert veröffentlichen. Danke an die Autorin!
Der kreative Kopf hinter den folgenden Sätzen kann unter dieser Adresse gefunden werden: http://www.berninablog.com/author/ursula-gottschall/

Ich halte es für absolut illusorisch, dass wir allein mit unserem Kaufverhalten etwas an diesen Zuständen ändern können. Obwohl wir mit unserem Kaufverhalten kollektiv zu der Misere beitragen. Warum?

1) Mehr und mehr Menschen auch bei uns sind gezwungen, billigst einzukaufen, weil sie selbst nur wenig verdienen und kaum über die Runden kommen. Darunter sind zunehmend gut bis sehr gut ausgebildete Leute aus der Mittelschicht, zusätzlich zu denen, die immer schon wenig hatten. Da geht es nicht um einen Tausch Qualität gegen Menge, sondern darum, wann es für die dringend benötigten Klamotten reicht. Durch das Anwachsen dieser Konsumentenschicht steigt der Druck auf die Hersteller, billiger zu produzieren, ohne Rücksicht auf Verluste.
Kleine Randbemerkung: m.E. ist die "Geiz ist Geil"-Mentalität nicht aus sportlichem Ehrgeiz entstanden, sondern die Werbung hat mit diesem marketingtechnisch clever gewählten Spruch eine Grundstimmung be- und verstärkt, die in einer Rezession entstanden ist und sich durch permanente Lohnstagnation verfestigt hat.

2) Natürlich gibt es immer noch sehr viele Leute, die komfortabel genug leben, dass sie durchaus eine Wahl haben. Und viele von denen wären auch bereit, etwas mehr zu bezahlen, wenn die Ware ohne Ausbeutung produziert würde. Erstaunlicherweise wäre der Aufpreis gar nicht so hoch. Man hat errechnet, dass ein Hemd, das normalerweise in USA für 20$ (VK) verkauft wird, nur 1$ (in Worten: einen) mehr kosten würde, wenn die Näherinnen in Mexiko (oder einem anderen mittelamerikanischen Land) so gut bezahlt würden, dass sie - bei anständigen Arbeitsbedingungen! - davon ihre Familie gut ernähren könnten. Das Preisverhältnis zeigt, dass die Krux nicht die tatsächlichen Herstellungskosten sind, sondern der Unterbietungswettbewerb der Produzenten als solcher, bis an die Grenze des Möglichen.

3) Preisgünstig einkaufen ist per se nichts Schlechtes, ganz im Gegenteil. Es ist rational, von 2 Produkten, die ansonsten gleich oder bei austauschbaren Eigenschaften gleichwertig sind, das billigere zu kaufen. Das Problem ist, dass man oftmals nicht weiß, was "drin" ist, sei es hinsichtlich der Materialeigenschaften, der Verarbeitung oder der Herstellungsbedingungen. Und die Anbieter unternehmen eine Menge, das zu verschleiern. Wenn ich aber keine Chance habe herauszufinden, welche Nachteile ein Produkt möglicherweise hat und ob sie für mich akzeptabel sind oder nicht, warum sollte ich dann nicht alle in einen Topf werfen und einfach nach dem Preis entscheiden? Zumal die schlichte Formel teuer gleich hochwertig und umgekehrt schon lange nicht mehr stimmt. Zu viele Dinge, die der Qualität nicht abträglich sein müssen, können den Preis mitbestimmen: Größenvorteile bei der Produktion, oft in Form stärkerer Automatisierung, Größenvorteile bei den Einkaufspreisen der Vorprodukte, also Nachfragermacht, besondere Vertriebswege (hier denke ich z.B. an Abverkäufe von Musterwaren und Produktionsüberhängen an spezialisierte Händler, die auch für hochwertige Ware nur einen sehr geringen Preis bezahlen und daher ungewöhnlich günstig verkaufen können, s. Maybachufer).

Fazit: Wir können die Gesetze des Marktes nicht außer Kraft setzen. Es ist für den Konsumenten sinnvoll, seinen Nutzen zu maximieren und das beste Produkt zum günstigsten Preis zu suchen. Aber wir können den Wettbewerb begrenzen. Und wir müssen es. Dringend. Nur nicht mit moralischen Appellen, die müssen systembedingt verpuffen, sondern mit politischen Rahmenbedingungen. Und diese müssen wir als Gesellschaft verhandeln und das Ergebnis mit staatlicher Autorität durchsetzen. Auch international, in Form von bindenden Standards, anders geht es nicht. Obwohl es gerade international noch eine Weile dauern wird. Leider.

Danke, daß ich den Text übernehmen durfte  :-)).
Herzlichst, Sathiya 

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