Donnerstag, 1. August 2013

Wieder einmal - Plagiatsvorwürfe

Diesmal auf dem Prüfstand: der Präsident des Bundestages, Norbert Lammert.

siehe hier:  
http://www.arcor.de/content/aktuell/news_politik_inland/100879671,1,content,Uni+%C3%BCberpr%C3%BCft+nach+Plagiatsvorwurf+Lammerts+Doktorarbeit.html  (kein Hyperlink)

Ich bin eben wirklich von den Socken.
Wenn der gute Mann tatsächlich abgeschrieben haben sollte, dann wäre doch Zeit genug gewesen, es in all den bisher vergangenen Jahren herauszufinden. Vierzig Jahre rückwirkend einen Plagiatsvorwurf zu erheben, grenzt beinahe an Rufmord.
Die Promotionsordnung, die Vorschriften, Prüfungsordnungen, der gesamte Universitätsablauf stehen damit ebenfalls auf dem Prüfstand.
Davon abgesehen - wann gilt etwas als "abschreiben" und damit Plagiat und wann als "ab-schreiben" bzw. als Zitat? Die Promotionsarbeiten, die ich kenne, leben gerade davon, daß kaum neue Gedanken darin auftauchen, von neuen Formulierungen ganz zu schweigen. Es wird abgeschrieben, um möglichst wörtlich zu zitieren, um damit den winzigen neuen eigenen Gedankengang zu untermauern. Das ist seit Jahrzehnten offen praktiziertes Vorgehen, und sollte einen nicht wirklich überraschen. Daß diese Praxis neuerdings Plagiat genannt wird, wird noch Tausende ihren Doktortitel kosten...   ;-)
Ich frage mich, wann man einen Plagiatsvorwurf gegen Dr. Martin Luther King erheben wird - und wer es tun wird.

Anlehnend an meinen vorhergehenden Blog-Post schlage ich vor:
Da die bloße Behauptung ja eine beliebige Äußerung schon zur Tatsache zu machen scheint, und außerdem neuerdings schon anonyme Anschuldigungen in Blog-Form ausreichen, eine in diesem Fall fast 40 Jahre zurückliegende Promotionsarbeit in Zweifel zu ziehen und damit die Persönlichkeit desjenigen, der sie verfaßt und eingereicht hat, zu diskreditieren, in Zukunft
  1. entweder auf promovierte Persönlichkeiten an prominenten Stellen, Ämtern und Posten zu verzichten
  2. oder die entsprechenden Promotionsarbeiten der Amtsanwärter vor Inthronisierung genauestens durchzusehen und auf einen potentiellen Plagiatsvorwurf hin zu überprüfen
  3. oder eine gesetzliche Verjährungsfrist für Plagiatsvorwürfe einzuführen

Was würde wohl passieren, wenn plötzlich alle unsere regierenden Doktoren wegen Plagiatsvorwürfen ihren Doktortitel zurückgeben müßten? Das würde eine sehr interessante Woche geben...  ;-)

Kopfschüttelnd - beste Grüße, Sathiya

8 Kommentare:

  1. Dabei ist soweit ich das verstehe ja bei den Vorwürfen noch nicht einmal von Abschreiben ohne Quellenangabe die Rede, sondern nur von der "Übernahme charakteristischer Fehler aus der Sekundärliteratur". Der Vorwurf ist also, dass Dr. Lammert die angegebene Literatur nicht gründlich gelesen hat. Und das ist ein Plagiat? Auch in den Vorwurf "An vielen Stellen der Arbeit wird eine gedankliche Eigenarbeit nur suggeriert" kann man ja alles und nichts reininterpretieren, klingt so, als wolle sich jemand am "klassischen" Plagiatsvorwurf (Abschreiben) gestikulierend vorbeimogeln. Für mich jedenfalls ist auch die sinngemäße Zusammenführung verschiedener Quellen zu einem schlüssigen Ganzen als gedankliche Eigenarbeit zu verstehen.
    (Zitate aus dem (Nicht-)Link)

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    1. Ich wundere mich ja auch.
      Dein Schlußwort in Gottes Ohr. ;-)
      Danke für Deine Meinung!

      Beste Grüße, Sathiya

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  2. Was heißt, wenn "alle unsere regierenden Doktoren wegen Plagiatsvorwürfen ihren Doktortitel zurückgeben müßten"? Wer fest im Sattel sitzt, dem passiert nichts. Es trifft letztendlich immer die, die nicht (mehr) genug Rückhalt in ihrer Partei haben. Ob der ursprüngliche Angriff dann aus den Oppositionsreihen kam, aus der Presse (Informationskanäle?) oder sonstwo her, ist nebensächlich. War doch bei manchen aufgebauschten "Korruptions"- und anderen Skandalen nicht anders. Ausnahme: Gutti et al. - von hohen Rössern fällt man tief, man sollte halt nichts überziehen.

    Ach, was bin ich froh, dass ich nie fürs wissenschaftliche Arbeiten geeignet war ;-) ...

    Viele Grüße
    Ursula

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    1. Was das heißt? Sie wären damit "untragbar" für den Großteil der Gesellschaft, egal, ob dieser selbst promoviert hätte oder nicht. Außerdem gäbe es einen Vertrauensverlust (noch mehr Vertrauensverlust, als die Politik ohnehin schon erlitten hat), denn jemandem, der seine Doktorarbeit abgeschrieben haben soll, dem traut man noch ganz andere schlimme Dinge zu.
      Beispiel: diese Jahr waren hier Wahlen zum Oberbürgermeister, zur Wahl stellten sich einige Leute, einer davon ein Dr. . Die Wahlprogramme waren recht aehnlich, einer der aussichtsreicheren Kandidaten mit m.E. den vernünftigeren Ansichten aber kein Dr. irgendwas. Es gab im ersten Wahldurchgang ein Unentschieden. Zur Stichwahl gewann - man ahnt es schon - derjenige mit Doktortitel (vermutlich auch weil er darüberhinaus auch versprach, daß alles bleibe wie es ist, keiner müsse sich an Veränderungen gewöhnen... *grimmig*).
      Als im Frühjahr der Schavan-Rücktritt anstand wegen Plagiatsvorwürfen, konnte man ja sehen, welchen Rückhalt es aus den Reihen der Partei gab - nämlich so gut wie keinen. Fallengelassen wie eine heiße Kartoffel... in den AUgen der Wähler diskreditiert für alle Zeiten.
      Das habe ich damit gemeint. Ich hoffe nur, das man sich nur auf Länder- oder Bundesebene so verhält, und nicht auch in den Landtagen und Stadträten.

      Ich bin auch kein Dr. - und heute mal wieder froh darüber. Das hätte mir gerade noch gefehlt, daß Jahrzehnte nach Graduierung alles für nichtig erklärt würde, falls jemandem, der lieber anonym bleibt, meine Nase/Kleidergröße/Politik/Geschmack nicht paßt.

      Viele Grüße, Sathiya

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    2. Untragbar werden plagiatsverdächtige Politiker aber nur, solange die Kriterien nicht verwässert werden. Genau damit geht es aber schon los, wenn Zitate zu Plagiaten uminterpretiert werden.

      Wer den Begriff Plagiat inflationiert, stellt diejenigen, die sich den Titel erschleichen wollten, mit denen auf eine Stufe, die mehr oder weniger unsauber gearbeitet haben, vielleicht auch nur im nachträglichen Licht verschärfter Üblichkeiten. Und damit ist dann keinem gedient.

      Es ist manchmal erstaunlich, wie kurzlebig das "für alle Zeiten diskreditiert" sein kann. Erinnerst Du Dich an den CSU-Politiker, der Anfang der 80-er im Suff einen tödlichen Unfall verursachte und gerade mal 10 Jahre später Verkehrsminister wurde? Ausgerechnet Verkehrsminister, kaum zu glauben.

      Dass Schavan zum Zeitpunkt des Plagiatsvorwurfs keinen Rückhalt hatte, weist für mich darauf hin, dass ihre Stellung in der Partei schon vorher nicht so berühmt war. Sonst hätte gerade sie das vielleicht aussitzen können. Gutti nicht, klar.

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    3. :-) für alle Zeiten heißt "bis zur nächsten Wahlrunde". Leider. Die Zeit im politischen Betätigungsfeld vergeht eben anders als für den Normalbürger... war derjenige etwa auch der ehemalige Kanzlerkandidat Sch---ng, auch bekannt für indezente Privatfotos im Pool?! Aber es sind schon ganz andere zu Politikern und Ministern geworden - Steinewerfer und so ;-). Was ist eigentlich aus dem geworden?? (Sorry, das war unsachlich.)

      Schavan, Guttenberg, in den nächsten Tagen kommt bestimmt noch jemand mit Merkels Promotionsarbeit an (oder war das schon? ich verliere langsam den Überblick *g*) - es scheint so, als ob das die neue Politik wäre. Volkes Stimme kann zwar nicht direkt wählen, sie kann aber, anonym wenn sie will, die ihr nichtpassenden Politiker auf diese Art loswerden, und das sogar elegant und mit dem Segen der Promotionsordnung. Demokratie einmal ganz anders. ;-)

      Am besten wäre es, man hätte nur einen doktorus honoris causa... keine Plagiatsvorwürfe, kein Problem!!
      Achtung - Geistesblitz: alle angefochtenen Doktortitel, ob berechtigt oder unberechtigt, werden bis zur endgültigen Urteil in Dr.h.c umgewandelt. Und keiner muß sich seine Visitenkarten neu drucken lassen. Plagiatsvorwürfe werden hiermit gegenstandslos und alles ist in Butter... :-))

      Beste Grüße und einen wirklich schönen Tag, Sathiya


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  3. Es ist zutiefst schade, dass das nun Volkssport wird. Wenn es neun Bücher dazu gibt, schreib daraus ein zehntes Buch: DAS ist schon lange der Anspruch von Doktorarbeiten in einigen Fächern.

    Da findet oft schon längst keine Grundlagenarbeit mehr statt, und die neuen Erkenntnissse daraus sind oft überaus überschaubar. Weil neue Erkenntnisse nämlich weit weit entfernt sind von dem, was ein Doktorand überhaupt leisten kann.

    Die Promotionsordnung gehört wie so vieles in Lehre und Forschung grundlegend überarbeitet. Das traut sich nur keiner, weil es politisch grade so nützlich ist, wie es ist.

    Auch bezüglich der Anfechtbarkeit gehört die Promotionsordnung dringend überarbeitet. Knapp 40 Jahre ! Stonehenge, Telefon ! Wann wird man beginnen Artistoteles' Arbeiten zu überprüfen, ob er nicht vielleicht ein wenig bei Platon geschmökert hat ?

    Bis das geschehen ist wird man sich aber als begeisterter Buchstabenzähler und Anstifter einer Plagiatshatz mit dem "Aber ich habe doch nur darauf hingewiesen !" immer prima aus der Affäre ziehen können - wenn man jemandes Ruf ruiniert, der das vielleicht nicht verdient.

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    1. ja, zutiefst schade.

      Aristoteles HAT definitv abgeschrieben, Platon sowieso, und einige andere auch. Völlig untragbar sind deshalb all ihre Theorien und Betrachtungen, für alle Zeiten (SO!!! *lach*). Wer hat noch mal das Telefon erfunden? Wer von wem abgekupfert?!

      Aber einmal mal jemanden aufmischen, in der bequemen Anonymität des Internet scheint auch ein Volkssport geworden zu sein. Die Zeiten haben sich geändert, wo sind nur Anstand und Moral gebleiben?
      Zur Schavan-Affaire hatte ich noch gedacht - egal ob die Vorwürfe zutreffend seien oder nicht - daß jemand gewaltigen Spaß daran hatte, das Land derart ins Wanken zu bringen. Und es wankt.
      Vielleicht sollten alle potentiell entlarvten Plagiatoren schleunigst ihre Arbeiten überprüfen lassen, und gegebenenfalls, so diese noch am Leben sind, ihre Doktorväter in die Pflicht nehmen und auf Schadensersatz wegen entgangener Reputation klagen. Bis runter zu Platon. *g*

      Die Anfechtbarkeit auf 10 Jahre zu beschränken fände ich vernünftig.
      Oder alternativ dem Doktortitel ein Verfallsdatum zuordnen, Haltbarkeit bis xxxx. Ab xxxx würden die Voraussetzungen zum weiteren Führen des Titel zweijährlich neu überprüft. Das wäre mal eine echte Verbesserung! Schluß mit "einmal Doktor, immer Doktor"... ;-)

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