Donnerstag, 26. September 2013

Das Wahlsystem und die Fünf-Prozent-Hürde

Es tut mir leid, wenn ich alle weiterhin mit den Wahlen nerve, obwohl sie vorbei sind. Aber heute kam mir zufällig dieser Artikel in die Quere, der sich mit einem der mir unerklärlichsten Phänomene der deutschen Demokratie befaßt: der Fünf-Prozent-Klausel. Und mit ihren Auswirkungen auf das Demokratieverständnis des modernen selbständigen informierten freiheitsliebenden verantwortungsbewußten sozial denkenden interessierten Bürgers. (nicht lachen, ich bitte euch)

Inspiration gefunden hier: 
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/koennen-wir-jetzt-bitte-mal-ueber-die-fuenf-prozent-huerde-reden/      -->  lesen, auch die Kommentare sind interessant!
Ich hätte ihn gern komplett auf meinen Blog übernommen, bin mir aber ziemlich sicher, daß der Autor das nicht gut finden würde. (eine völlig ungewohnte Zurückhaltung meinerseits, ich weiß... ;-)  )

Er trifft einen ganz gemein freiliegenden Nerv der Demokratie: nämlich den Verfall von gültigen Stimmen zur Bundestagswahl, nur weil nicht genügend Stimmen zusammengekommen sind, um einen Anteil von mindestens fünf Prozent der Gesamtstimmen zu erreichen.
Ich finde es deshalb so brisant, weil die Bundestagswahl alle vier Jahre der (fast) einzige Weg ist, als Normalbürger legitim (durch die Wahl von Volksvertretern) Einfluß auf die Zusammensetzung der Regierung und die Politik des Landes zu nehmen.

Geht ein wahlberechtigter Bürger nicht zur Wahl - ist er ein Nichtwähler.
Geht er zur Wahl und macht den Stimmzettel ungültig, entweder mit Absicht oder aus Versehen, ist er ein "Abwähler" (eigene Wortkreation - gibt es dafür eine spezielle Bezeichnung? *g*)
Geht er zur Wahl und gibt einen gültigen Wahlzettel ab, ist er ein Wähler - dessen Stimmen allerdings bei der Vergabe von Parlamentssitzen nicht berücksichtigt werden, und er quasi behandelt wird, als ob seine Stimme ungültig wäre - eine Stimme für den Müll.
Welche Legitimierung hat eigentlich eine Regierung, die sich auf diese Art einfach über den Willen eines Teiles der Bevölkerung hinwegsetzt? Es ist immerhin die Rede von 15 % aller gültigen Stimmen, sprich 6,86 Millionen, die einfach nicht zählen - das finde ich inakzeptabel.  (Zahlen aus dem Artikel übernommen)

Stefan Niggemeier stellt folgende Frage in den Raum: ist die Fünf-Prozent-Hürde noch zeitgemäß?
Können und dürfen wir es uns leisten, die in demokratischen Wahlen abgegebenen Willenserklärungen (das ist ein passenderes Wort für Stimmen, meine ich) vollberechtiger Bürger einfach millionenfach zu ignorieren?

Ja, ich weiß: ich kenne sowohl die Geschichte als auch die Gründe, die Fünf-Prozent-Klausel einzuführen und beizubehalten. Aber mittlerweile sind Jahrzehnte vergangen, der Staat hat sich gewandelt, die Demokratie sich entwickelt. Ich finde es eines modernen demokratischen Staatswesens schlicht und ergreifend unwürdig, offen und kalt lächelnd den Willen eines bedeutenden Teils der Bürger derart zu übergehen. Das undurchsichtige Theater mit Überhangmandaten, Leihstimmen, Fraktionsstimmzwang und anderen halbseidenen Mauscheleien, lasse ich mal ganz ausgeklammert.

Als am Wahlabend klar wurde, daß die FDP unter den magischen 5 % bleiben würde, war ich bestimmt nicht die einzige, die gelacht hat. Wir haben noch gewitzelt, damit die FDP doch noch in den Bundestag könne, bräuchte sie sich nur mit einer der Großparteien zusammenzuschließen, analog dem Konstrukt CDU/CSU: zu einer CDU/FDPu  (sprich Ce-De-U-Eff-De-Pu) oder SPDu/FDPu oder ...  :-))
Tja. Das war schon das Lustigste am ganzen Wahlrummel.

Warnung: die Autorin dieses Posts hat weder von Politik noch von Demokratie besonders große oder besonders gute Ahnung. Hier geht es eher um gefühlte Politik und gefühlte Demokratie. ;-)
Und noch ein Trost (ziemlich schal zwar, aber dennoch): da die Parteien sich nicht so sonderlich unterscheiden, ist es mir eigentlich ziemlich gleichgültig, wer gewinnt, wer verliert, und wer im Bundestag sitzen wird und wer nicht, und wie er dahingekommen ist. Aber ein paar neue Gesichter mit neuen Ideen im allgemein doch überlastig von Parteipolitik und Staatsräson geprägten Bundestag wären wirklich nicht verkehrt gewesen - die durch den Wegfall der antiquierten Fünf-Prozent-Klausel möglicherweise hinzugekommen wären. Neue Köpfe braucht das Land - wenn nicht jetzt, so doch in vier Jahren. Wenn es dann noch nicht zu spät ist.

Es gerade wieder mal zum Davonlaufen findend, aber schon wieder halbwegs gutgelaunt, Sathiya

Montag, 23. September 2013

... und nun? - leise Stimme nach der Wahl

So. Angela Merkel rules.
Und das haben wir gewählt, egal ob direkt, indirekt, ob durch Ankreuzen oder Stimmenthaltung. Vier Jahre.
Mich störte schon immer das gespaltene Verhältnis, daß die lieben Politiker zur Realität hatten. Oder sollte ich es besser Ahnungslosigkeit nennen?
Ein Beispiel:
Vor der Wahl: Bürger fragen - Frau Merkel antwortet.
Einer der am häufigsten gebrauchten Sätze (subjektiver Eindruck) war in den letzten Jahren: "Das müssen wir uns nochmal im Detail anschauen."
Als es bei einem Bürgergespräch um das Thema
Verleihfirmen und Lohndumping ging, war unsere Kanzlerin baß geschockt.
Ja, ihr sei durchaus bekannt, dass das bei manchen Firmen so üblich wäre, schwarze Schafe usw. gäbe es ja immer, und nicht jeder sei sich der sozialen Verantwortung als Arbeitgeber voll bewußt - aber derart krass und in dem großen Ausmaß? Das ginge natürlich nicht. Das müsse sie sich doch noch mal im Detail anschauen.
Ich bin jetzt mal gespannt, ob es bald tatsächlich akzeptable Mindestlöhne gibt und die Ausbeuterei über Verleihfirmen endlich aufhört - und ob und wie sie sich das Problem, das ja auch noch staatlicherseits durch die Hartz4-Gesetzgebung gefördert und
regelrecht belohnt wird, wie versprochen "im Detail" angesehen hat. Hoffen wir es mal.
(frei nach einer Stimme aus dem Bloggerversum - http://strickliese-kreativ.blogspot.de/2013/09/wir-werden-sie-einfach-nicht-los.html )

Zum Thema Mindestlohn: dieser wurde uns von der Politik immer als Nachteil für den Standort Deutschland verkauft. Deutschland wäre dann nicht mehr international konkurrenzfähig, man müsse die Globalisierung im Auge behalten und gegebenenfalls Abstriche bei seinen persönlichen Gehaltsvorstellungen machen. Ich selbst habe zähneknirschend mitansehen müssen, wie der Betriebsrat einfach beschloß, daß jeder Arbeitnehmer auf 15 % seiner Bezüge verzichten solle, damit das Unternehmen konkurrenzfähig bleibe. Konkurrenzfähig - daß ich nicht lache. Wir wären höchstens mit Stundenlöhnen im knapp einstelligen Euro-Bereich konkurrenzfähig geblieben - selbstverständlich gemessen am Einkommen in Fernost. Selbst Osteuropa ist dafür schon zu teuer und damit nicht mehr als Beispiel und Vorbild geeignet.

Aber - was passiert, wenn es keinen Mindestlohn gibt? Genau das, was ein schweizer Autor (Beitrag unten) beschrieben und vorgerechnet hat: Der Staat muß für die Differenz zwischen Reallohn und Sozialhilfeniveau aufkommen. Das unselige Konstrukt des Aufstockens. So erhält das Wort Sozialhilfe eine völlig neue Dimension. Die Unternehmen sparen bares Geld auf Kosten der Löhne und der Würde ihrer Arbeitnehmer, bekommen am Ende gar noch im Rahmen der Hartz4-Gesetzgebung 1-Euro-Jobber oder Sozialhilfeprobesklaven für 2 Wochen zugeteilt, die selbstverständlich für umsonst arbeiten bzw. für die vage Chance, eventuell "übernommen" zu werden.
Und wer bezahlt am Ende die Rechnung?

Die Politik versucht uns Bürgern immer einzureden, daß die Rechnung "alle" bezahlen, daß vor allem die asozialen Hartz4-ler und Rentner am Niedergang Deutschlands schuld seien - aber das stimmt so nicht. Die Rechnung bezahlen vor allem die Klein- und mittleren Verdiener und mittelständischen Betriebe, die höherverdienenden Schichten, Groß-Unternehmer, Beamtenkaste und Politik-Aristokratie haben sich ihre eigene Besoldung wohlweislich so komfortabel hochangesetzt, daß deren nominelle Steuern und Abgaben, die sie auf dem Papier zu entrichten haben, sie nicht weiter juckt. Da sie von vorn herein schon herausgerechnet wurde. Vermutlich.

Was würde wohl mein Arbeitgeber sagen, wenn ich von ihm verlangte: Herr XY, ich möchte am Monatsende 3000 Euro auf meinem Konto haben - vergüten Sie mich so, daß das inklusive aller Abzüge auch hinkommt. Ich denke, er würde erst mal den psychiatrischen Notdienst rufen. Für mich *schiefes Grinsen* - oder für sich, je nach psychischer Stabliltät.

Dampf abgelassen, sich besser fühlend - Grüße, Sathiya

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PS:  Ein hochinteressanter Beitrag über Mindestlohn und deutsche Verhältnisse. Es lohnt sich in Deutschland wirklich bald nur noch, Politiker zu sein - oder Vorstandsmitglied in einem DAX-Unternehmen. Also echt.

von hier:  http://dwdpress.wordpress.com/2013/09/21/vorteil-schweiz-unser-mindestlohn-ist-deutlich-hoher-deutschland-dagegen-ein-ausbeuter-land-ohne-echte-demokratie/    (Text in dunkelblau von da)
Autor dieses Beitrags ist der Schweizer Wirtschaftswissenschaftler und Journalist Werner Vontobel aus Zürich.
In der Schweiz steht ein Mindestlohn von 4.000 Franken monatlich oder rund 20 Franken pro Stunde zur Diskussion. In Deutschland sammeln die Gewerkschaften Unterschriften für eine Petition, die einen Mindestlohn von 8,50 Euro fordert. Das entspricht etwa 10,50 Franken – rund die Hälfte des schweizerischen Mindestlohns. Frage: Kann die Schweiz kostenmäßig noch mithalten? Antwort: Ja, denn die Differenz muss der deutsche Staat mit höheren Steuern wieder reinholen.
In Deutschland verdient heute fast ein Viertel der Beschäftigten weniger als die offizielle Niedriglohnschwelle von 9,14 Euro. Im Schnitt kassiert dieses untere Viertel rund 6,50 Euro die Stunde. Doch um mit diesem Stundenlohn über die Runden zu kommen, müsste man  pro Jahr weit über 2.000 Stunden arbeiten. Doch der deutsche Arbeitnehmer bringt es – wenn er Arbeit hat – im Schnitt nur auf  1.396 Stunden. Bei den unteren Lohnkategorien sind es – wenn man die Perioden von Arbeitslosigkeit berücksichtigt – gar weniger als 1.000 Stunden. Das ergibt ein monatliches Einkommen von 540 Euro. Das reicht auch dann kaum für die laufenden Ausgaben, wenn zwei Löhne zusammenkommen. Für die Altersvorsorge, für Kinder und für andere Wechselfälle des Lebens ist erst recht kein Geld übrig.
Da hilft der Staat: Richtlinie sind die Regelsätze nach Hartz IV. Das Wohngeld eingerechnet hat man als Arbeitsloser Anspruch auf rund 780 Euro pro Kopf und Monat. Davon 90 Prozent für den Ehegatten und je 70 Prozent für die Kinder. Wer arbeitet, aber weniger verdient, dem wird der Lohn auf Hartz-IV-Niveau aufgestockt. Daneben hat man Anspruch auf Einmalleistungen bei Erstausstattung, Klassenfahrten, kostenaufwändige Ernährung usw. Bei Arbeitslosigkeit kommt man in den Genuss von „aktivierenden Leistungen “ etc. Nach der Pensionierung geht es weiter mit Sozialhilfe, die sich ebenfalls nach den Ansätzen von Hartz-IV richtet, dazu kommt noch Mehrbedarf, Sonderbedarf etc. Kurz: Die Niedriglöhne ziehen einen ganzen Rattenschwanz von Staatsbürokratie und staatlichen Ausgaben nach sich.
Mit einem angemessenen Mindestlohn könnte sich der Staat diese Ausgaben sparen bzw. sie auf die Arbeitgeber abwälzen. Frage: Wie hoch muss dieser Stundenlohn sein, damit wenigstens der private Konsum nach Hartz IV-Ansätzen gedeckt werden kann? Dabei bin ich von folgenden Annahmen ausgegangen: Ehepaar mit zwei Kindern, die mit 17 das Elternhaus verlassen,  jährliches Arbeitspensum je 1.326 Stunden 46 Arbeitsjahre (20 bis 66), 17 Rentenjahre. Der karge private Konsum entspricht den Leistungen nach Hartz-IV. (4 Euro täglich fürs Essen, 1,03 Euro für Kleider und Schuhe, 0,51 Cents für Restaurants und Hotel).
Zwischenergebnis: Unser Muster-Deutscher braucht im Schnitt seiner 63 Konsum-Jahre (Alter von 20 bis 83)  896 Euro pro Monat oder 10.752 Euro im Jahr. Ihm stehen dafür (wiederum im Schnitt aller arbeitsaktiven und arbeitspassiven Jahre) 970 Arbeitsstunden zur Verfügung. Dabei unterstellen wir eine durchschnittliche Arbeitslosigkeit von 5%. Er braucht also einen Stundenlohn von 11,08 Euro, um nur schon mal seinen privaten Konsum zu decken.
Darüber hinaus sollte er nun noch seinen Anteil am öffentlichen Konsum (Strassen, Schulen etc.) finanzieren. Da ein Nettolohn von 10.752 Euro nur knapp über der Freigrenze liegt, können die anfallenden Steuern kein Maßstab für den Konsum öffentlicher Dienstleistungen sein. Wir gehen deshalb erstens davon aus, dass unser Niedriglöhner gleich viele öffentliche Dienstleistungen beansprucht wie der Durchschnittsverdiener mit einem Bruttoarbeitslohn von 29.000 Euro. Zweitens unterstellen wir, dass die entsprechenden Kosten durch die bei diesem Bruttolohn anfallenden 3.931 Euro Lohnsteuer und Solizuschläge und die 2.675 Euro Kranken- und Pflegeversicherungsanteile voll gedeckt sind. (Zum Vergleich: Die Einkommensteuer pro Steuerzahler beträgt rund 4.800 Euro, die Gesundheitskosten pro Kopf 3.600 Euro.)
Insgesamt verbraucht unser Muster-Deutscher also insgesamt 17.358 Euro an privaten und öffentlichen Gütern und Dienstleistungen, die er mit dem Ertrag aus den 970 Arbeitsstunden verdienen sollte. Der so errechnete  Mindestlohn beläuft sich auf 17,90 Euro.  Diese rund 18 Euro pro Stunde sind der Betrag, den ein deutscher Arbeitnehmer verdienen muss, wenn er seinen (minimalen) Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten will. Man kann diese Berechnung auch so interpretieren: Selbst bei dem von den deutschen Gewerkschaften geforderten Mindestlohn von 8,50 Euro muss der Staat für jeden Mindestlöhner weit mehr als die Hälfte der Lebenshaltungskosten übernehmen. Bei den 23 Prozent der Arbeitnehmer, die im Schnitt gar nur 6,50 Euro verdienen, wälzen die Arbeitgeber gar fast zwei Drittel der Kosten auf den Staat ab.
Aus der Sicht des Standortwettbewerbs gesehen ist also Deutschland mit einen Mindestlohn von 8.50 Euro nicht besser dran als die Schweiz mit ihren rund 4.000 Franken monatlich. Allerdings hat die Schweiz den großen Vorteil, dass die Zuteilung der Kaufkraft weitgehend über den Markt erfolgt, während Deutschland zu diesem Zweck eine teure Bürokratie aufgebaut hat. Gesamtwirtschaftlich gesehen dürften die Arbeitskosten in Deutschland deshalb tendenziell höher sein. Bleibt die Frage, inwieweit es der deutschen Exportindustrie gelingt, die Kosten auf den Staat abzuwälzen bzw. sich um die entsprechenden Steuerlasten zu drücken.

(sollte ich mich mit der Übernahme des Textes zu weit aus dem Fenster gelehnt haben, entschuldige ich mich und nehme es auf Aufforderung hin wieder zurück. Ich schätze ihn aber als so gut und wichtig ein, daß ich ihn auch auf meinem Blog veröffentlichen möchte.)

Sonntag, 22. September 2013

Der Song zum Sonntag

Der perfekte Song zum Wahlsonntag. Make love not war!

Imagine von Jon Lennon :  http://www.youtube.com/watch?v=XLgYAHHkPFs

hier witzig illustriert:  http://www.stanleycolors.com/2013/09/imagine-john-lennon/
(wem die Seite etwas spanisch vorkommt - der Liedtext ist trotzdem immer noch auf englisch, wie er es immer war, und leicht gekürzt)

Das Comic am besten ansehen, während das Lied läuft.

Ohne weitere Worte, da ich mir nicht vorzustellen wage, wer heute abend das Rennen gemacht haben wird, und was es die Normalbürger wieder kosten wird - an Geld, Zukunft, Selbstbestimmung, Würde...

Sathiya

Montag, 16. September 2013

Blick in den Abgrund

Die aktuellen Nachrichten sind desillusionierend. In ein paar Tagen ist Bundestagswahl, und noch einer der führenden Köpfe wird moralisch demontiert - diesmal Jürgen Trittin.
http://www.taz.de/Gruenen-Politiker-und-Paedophilie-Affaere/!123784/
http://www.taz.de/Paedophilie-Affaere-und-die-Gruenen-/!123786/

Ach herrje. Abgründe tun sich da auf, Abgründe.
Herr Trittin und andere FDP- und Grünen-Politiker sind mir herzlich egal. Meinen Segen haben sie, wenn sie damals jener heutzutage skandalösen Ansichten waren, und heute eben eine andere, modernere, moralisch einwandfreiere Meinung vertreten. Kann ja mal vorkommen, daß man sich in seiner Sturm-und-Drang-Zeit-Jugend mal vergaloppiert, solange man wieder auf den rechten Weg zurückfindet. Ich finde es bemerkenswert, daß er den Mut hat, zu seiner damaligen Haltung zu stehen. Ob er die Konsequenzen daraus zieht, wie eine andere FDP-Politikerin? Man wird es sehen... da aber die Wahlscheine schon gedruckt sind, eher nicht. :-)

Aber es ist etwas anderes, was mich empört und mich traurig macht.
In den 80er Jahren gab es tatsächlich eine ernsthafte Debatte von Seiten der Grünen und FDP über die "sexuelle Gleichberechtigung Homosexueller und Pädophiler". Ich fasse es nicht. 
Achtundsechzig war doch lange vorbei, oder? Oder war es etwa eine besonders lange Freie-Liebe- und Woodstock-Leitung? Oder wollten sich die einschägig Aktiven vor Strafe bewahren und sich von der Sünde reinwaschen? Einen Persilschein, demokratisch legitimiert, ausstellen lassen?

Ich stolpere in diesem Zitat aus oben verlinktem Artikel über diesen Ausdruck: 
Immerhin war es die damalige Jugendorganisation der Regierungspartei FDP, die im März 1980 auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz per Beschluss forderte: „Keine Bestrafung der freiwilligen und einvernehmlichen Sexualität. Die §§ 173 (Inzest), 174 (Sexualität mit Schutzbefohlenen), 175 (Besonderes Schutzalter für männliche Homosexuelle), 176 (Sexualität mit Kindern) sind zu streichen.
und vor allem darüber: "176 (Sexualität mit Kindern)".   !!!

Verständlicherweise erschreckt mich das besonders, da ich eine knapp Neunjährige in der Schule habe. 
Ich empfinde eine Partei, die damals ernsthaft soetwas propagiert hat, und bis heute weder öffentlich relativiert noch sonstwie ernstzunehmende Stellungnahmen abgegeben hat, als moralisch unglaubwürdig und nicht wählbar. (nun, das gilt allerdings auch für alle anderen Kandidaten, aus anderen Gründen - und es läuft wohl wieder mal darauf hinaus, das mir geringer erscheinende Übel zu wählen. Am besten ist es ohnehin, man weiß nicht so genau, wer welchen Dreck am Stecken hat) 
Und ich bin mehr als froh, daß dies eine Verirrung/Verwirrung zu sein schien (an die sich heute niemand mehr so gerne/richtig erinnern mag/zu können vorgibt - was mich noch mehr an der allgemeinen Integrität zweifeln läßt).

Fragen: Einvernehmliche und freiwilige Sexualität, deren einziges Kriterium nicht die geistige und körperliche Reife sei, sondern allein "Freiwilligkeit", "Einvernehmlichkeit" sowie "Gewaltfreiheit" haben sie gefordert. 
Definiere "einvernehmlich", "freiwillig", "gewaltfrei"...   
Definiere "Kinder" - ab wann ist ein Kind kein Kind mehr? Ab 14, 16, 18 Jahren? Macht es einen Unterschied, ob man aufs Alter schaut, oder auf die allgemeine Reife? Wer beurteilt das? Die überlasteten inkompetenten Jugendämter? Die potentiellen (erwachsenen) Partner?
Vor diesem Hintergrund gewinnen die Mißbrauchsvorwürfe und Prozesse gegen kirchliche und weltliche Würdenträger ja eine ganz andere Dimension, und mir wird nachgerade übel. Wenn das Vornehmen sexueller Handlungen mit Kindern tatsächlich legalisiert worden wären...!!!
Mir fehlen gerade die Worte.

Einen und nur einen Vorschlag hätte ich: da in Deutschland Minderjährige ab 16 Jahren mit Zustimmung der Eltern die Ehe eingehen dürfen, würde ich für die Kinder-Definition die Altersgrenze auf 16 festlegen. Das ist mein einziges Zugeständnis, Gewaltslosigkeit, Freiwilligkeit und Einvernehmlichkeit vorausgesetzt. Der Rest ist absolut undiskutabel - es kann und darf keine Gleichberechtigung von Homosexuellen und Pädophilen geben. 

Obwohl, wer weiß, was die Zukunft noch bringen mag? Es gab ja auch mal eine Zeit, da machte sich ein Homosexueller strafbar, und wohin ist das Gesetz entschwunden?
Sobald es genügend öffentliches, politisches und vor allem wirtschaftliches Interesse daran gibt, daß es straffrei gestellt wird, wird es auch passieren. Das wäre dann der Zeitpunkt, wo ich samt Familie dieses Land verlassen werde.

Vollkommen freiwillig einvernehmlich und gewaltfrei von den Socken, Sathiya

Mittwoch, 11. September 2013

Qual der Wahl oder Wahl der Qual?

aufgeschnappt und angetrieben von hier: http://herr-mim.blogspot.de/2013/09/kommentare-zum-schutt-der-zeit.html   (kein Hyperlink)

Es ist bald Bundestagswahl. Eine Liste der Dinge, die mich daran, davor, während und danach seit vielen Jahren ärgern. Nicht vollständig. Ausbaufähig.
  • Wahlplakate, bei deren Anblick und Botschaft mich der Zorn packt - ob die Politiker die Bürger alle für bescheuert halten?! Oder sind die Wahlplakatbotschaften erst einer geheimnisvollen Exegese zu unterziehen, bevor man sich dazu äußern darf (wie beispielsweise die Aussage: 'auch nach der Wahl 100% sozial' von einer Linkspartei. Was soll mir das wohl sagen?)
  • Wahlsendungen - Rededuelle, Wahlkämpfe medial und netsocial, viel BlaBla, kaum Substanz. Es fehlen vor allem allseits anerkannte gemeinsame Basis-Definitionen von typischerweise verwendeten Wahlkampfslogans. Was genau darf man sich unter 'mehr Sicherheit für alle' vorstellen? Und was sucht der 'Schulfrieden' auf den Plakaten und in den Zeitungen - haben wir den etwa nicht? Und - da wir dabei sind - wieso taucht nirgends die Datenaffäre um NSA/Snowden auf. Das wäre doch eine Steilvorlage vor allem für die kleinen Parteien gewesen (die ich im Diskurs um die Datensicherheit wirklich vermißt habe)... stattdessen wird in 100 Punkt-Schrift Mindestlohn von x,yz Euro gefordert, mehr Kitaplätze für alle versprochen (die eigentlich laut Gesetz schon längst zur Verfügung stehen sollen) und in großen Worten 'wer hart arbeitet, darf mehr erwarten' propagiert. - - - Definiere 'mehr'... !
  • Organisationsmängel - wir haben bis jetzt pro Nase sage und schreibe drei Einladungen bzw. Wahlbenachrichtigungen erhalten für ein und dieselbe Wahl an ein und demselben Ort in ein und demselben Wortlaut - viel hilft wohl viel bzw. sicher ist sicher?! Zählt meine Stimme dann auch dreifach? Oh pardonnez-moi s.v.p. - ein Wahl-Versehen - ganz unabsichtlich, ein klarer Fall von oops...
  • Wahlspots von Privatsendern mit der Botschaft 'geh wählen' - hä?! Was soll das? Und wen denn, bitteschön? Pro 7 vielleicht? ;-)
  • ein Wahlzettel von Tischdeckengröße mit unübersichtlichen Layout, wo eine genau definierte Anzahl von Kreuzchen gesetzt werden muß, deren spätere Verteilung auf die verschiedenen Kandidaten eines der großen Geheimnisse des Wahlvorganges und der Auszählung zu sein scheint - außerdem habe ich mir schon immer eine Möglichkeit zur Negativwahl gewünscht der Form "den will ich nicht".
  • An jedem Baum der Straße ist ein Wahlplakat angebracht, kilometerweit immer dasselbe Gesicht - ein Anblick zum Erbrechen. Soviel Plakate hängt nicht einmal der echte Zirkus auf, der zweimal im Jahr in der Stadt gastiert. Die Plakate sind aus teuer aussehenden Depron-Platten. Wer entsorgt denn nach dem Wahlzirkus den ganzen Plastikmüll? Wo ist noch mal der Grüne Punkt aufgedruckt? *g* Und noch wochenlang nach den Wahlen liegt man die eben noch gewählt wollenden Gesichter im Dreck liegen, von Entropie, Wetter, Regen und Hundehaufen entstellt, noch eine letzte Botschaft verkündend: gewählt ist gewählt, ihr Deppen, bis in vier Jahren, ätsch!!

Das war es. Wen kann man wählen? Um den geringstmöglichen Schaden anzurichten bzw. mitzuverantworten? Die Großen Parteien? Die Kleinen Parteien? Die Unbekannten Parteien? ??
Ich bin auch ziemlich ratlos. Sogar meine Mutter (seit 20 Jahren CDU-Wählerin) fragte mich, was sie denn wählen könne, sie würde sich so hilflos fühlen. Die Parteien unterschieden sich nur noch im Epsilonbereich voneinander, und letztendlich liefe es wohl darauf hinaus, von wem man sich am wenigsten ungern das Geld aus der Tasche ziehen ließe, und ob einem der Kandidat wenigstens sympathisch wäre. Ein ebenso guter Grund wie jeder andere, auf dem Wahlzettel sein Kreuzchen bei Mr. XY zu machen - was auch die unendlichen Bildergalerien erklären würde, von welchen einem die Kandidaten sich angestrengt bemühend, koste es was es wolle sympathisch zu wirken, zähnefletschend entgegenlächeln.

Ich habe letztens noch einen guten Blogpost zum Thema Wahl gelesen, den ich eben leider nicht wiederfinde. Darin war die Rede von Frau M., die sich und ihre Politik als 'alternativlos'   darstellt. Deutschland hätte eben keine andere Atlernative, als eben sie und nur sie zu wählen, Unsere Liebe Frau Merkel. Aus ihrer Sicht durchaus logisch. Will sie Kanzlerin bleiben, gibt es keine andere Alternative, als wiedergewählt zu werden - wo sie recht hat, hat sie recht...

Im anfangs erwähnten Post lese ich noch etwas, dem ich in einigen Teilen zustimme, es in weiteren Teilen als Sarkasmus empfinde, und in anderen Teilen ablehnen muß: den Vergleich zwischen dem Outsourcing von Dienstleistungen in Wirtschaft und Industrie und der Übertragung der Regierungsverantwortung an die demokratisch gewählten Volksvertreter.
Der Vergleich hinkt leider, obwohl er im ersten Moment sogar ganz passend wirkt und mich zum Schmunzeln gebracht hat. Wenn ich den Vergleich anwende, dann beauftrage ich in übertragendem Sinne jemanden, mich und andere zu regieren, über mich zu bestimmen, und gebe alle paar Bundestagwahljahre mein erneutes Okay dazu. Warum outsource ich die Verantwortung für mein eigenen Leben und erlaube allen möglichen Ämtern und Behörden, tief in meiner Tasche zu graben und per Gesetzgebung über mich, mein Leben und Eigentum zu bestimmen? Weil ich mich selbst nicht regieren kann? Weil ich glaube, daß diejenigen, die ich beauftrage, es besser können? Daß sie wissen, was gut für mich ist? Besser als ich?  :-)  ??

Don´t worry, be happy - und Alles wird gut!!, Sathiya

Dienstag, 10. September 2013

Überlegungen zur Schulpflicht

aufmerksam geworden hierdurch:  http://revealthetruth.net/2013/09/01/kinder-weggenommen-in-schockierendem-sondereinsatz/    (kein Hyperlink)
Ein mich zutiefst bestürzender Bericht darüber, wie einer Familie mit Gewalt ihre vier Kinder weggenommen wurden, nicht etwa wegen Mißhandlung oder Vernachlässigung oder Gewalt gegen diese, sondern wegen Verstoß gegen das Schulpflichtgesetz. Ich bin schockiert und zutiefst bestürzt, mit welcher Schärfe und Menschenverachtung von den offiziellen Behörden vorgegangen wurde, und wollte es zunächst nicht glauben. Ich empfinde es als eklatanten Verstoß gegen das Grundgesetz, die Menschenrechte, gegen alle Prinzipien des Rechtsstaates, so wie ich sie verstehe und auffasse. Ich fasse es nicht.

Daß einige Bürger ihre Kinder zuhause unterrichten, wußte ich, habe es aber bis dato in die Ecke der bedauernswerten christlich-fundamentalistischen Öko-Bewegung geschoben, die eher meine Verachtung als mein Mitleid verdient. Das war ein Fehlurteil, für das ich mich schäme. Da ich selbst auch nicht wirklich zufrieden bin mit dem Unterricht, den meine Jüngste momentan erhält, habe ich auch schon nach Alternativen gesucht, vor allem nach einer Möglichkeit, mein Kind offiziell selbst zu unterrichten. Erst einmal rein theoretisch (da ich nicht konsequent genug bin - aber lesen und schreiben habe ich ihr beigebracht, schon vor der offiziellen Einschulung ;-) ).
Durch Suche im Web bin ich auf eine Bewegung gestoßen, die sich "Homeschooling" nennt. Interessant und wert, es in künftige Überlegungen einzubeziehen.
Und ich komme erstmals ernsthaft dazu, mir über das Schulgesetz und die allgemein akzeptierte und verteidigte Schulpflicht kritische und zugegeben nicht sehr nette Gedanken zu machen.
Hier eine weitere Seite, die interessante Informationen über Heimschulunterricht bereitstellt: www.hausunterricht.org

Mein ganzes Leben lang habe ich es hingenommen, daß Schulpflicht besteht, und sie sogar als positiv empfunden - sei damit doch garantiert, daß alle Kinder, auch aus den untersten Schichten der Bevölkerung, lesen, schreiben, rechnen und usw. lernen, um eine solide Grundlage für einen Beruf zu haben. Das ist ein Vorteil, der durchaus nicht von der Hand zu weisen ist, und ab einem gewissen (niedrigen) Bildungslevel der Eltern würde ich eine Schulpflicht sogar begrüßen.

Ein Versuch der Auseinandersetzung mit der Schulpflicht

Nun - woher kommt die Schulpflicht? Es ist wie so einiges andere, eine Erbschaft aus braunen Zeiten: mit dem Reichsschulpflichtgesetz von 1938 wurde der Heimunterricht verboten
Woher kommt die Schulpflicht? “Wie” und wann ist diese gesetzlich verankert worden? Obwohl die allgemeine Schulpflicht bereits in der Weimarer Reichsverfassung stand, wurde sie nicht zwangsweise vollzogen. Bis 1938 war der Hausunterricht in Deutschland noch möglich. Erst die nationalsozialistische Gewaltherrschaft machte Schluß mit dieser Form der Unterrichtung und führte den Schulzwang ein. Verständlich - ein Kennzeichen von diktatorischen Regimen ist es immer, daß sie Bewegungen einschränken und verbieten, die sich ihrem Bestreben der totalen Kontrolle und Vereinheitlichung entziehen. Das heutige Deutschland im allgemeinen und Bayern im Besonderen hat mit dieser traurigen Tradition des diktatorischen Schulzwangs bis heute nicht gebrochen. (Text von hausunterricht.org)
Warum überhaupt Schulpflicht?Warum gibt es keine Bildungspflicht oder noch besser gänzlicher Verzicht auf staatliche Schulbesuch, mit Bildungsfreiheit? (nun ja, die Bildungsfreiheit nehmen sich die Schüler einfach selbst - bei einigen nutzt eben selbst die Schulpflicht nichts ;-) ) Oder eben häuslicher Unterricht, erteilt von den Eltern oder Privatlehrern, mit meinetwegen auch Prüfungen nach österreichischem Vorbild?

Wieso eigentlich wird Heimschulunterricht kriminalisiert? Im Bundesland Hessen z.B. ist es eine Straftat, den Schulunterricht zu verweigern, während es in anderen Bundesländern "nur" eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die Menschen, die ihre Kinder zuhause unterrichten, sich aber dennoch Verfolgung, Repressalien und Stigmatisierung ausgesetzt sehen.
Ich habe von der Grundschule (in Hessen) meiner Jüngsten einmal einen scharfen Brief erhalten, mit der Aufforderung, umgehend die Gründe fürs Fernbleiben vom Unterricht (es waren erst drei Tage, und ich hatte meine Gründe) darzulegen oder ich müßte mit Bußgeld, Erzwingungshaft und zwangsweiser Zuführung zur Schule rechnen, falls ich nicht kooperiere. Dabei hatte ich mein Kind ordungsgemäß schriftlich von der Teilnahme am Unterricht entschuldigt, was aber im Sekretariat der Schule verschlampt wurde... was aber die militanten Jugendschützer möglicherweise nicht gehindert hätte, mein krankes Kind mit Gewalt dem Unterricht zuzuführen. Selbstverständlich nur im Interesse des Kindeswohles. Um das Recht auf Bildung durchzusetzen.
Dazu drängt sich mir gerade eine Frage auf: gibt es in Deutschland denn die Pflicht, staatlich zugelassene Bildung und Lehrinhalte konsumieren zu müssen? Was ist mit Bildungsfreiheit? Bzw. der Freiheit, sich eben nicht zu bilden bzw. auf eine individuelle Art??

Überhaupt - warum zwangsweise dem Unterricht zuführen? Um den Nachwuchs zwangsweise zu sozialisieren? Ihm Bildung und Wissen aufzudrängen, die er weder will noch braucht?

Zum Thema Sozialisieren ein treffender Text: (Textauszug von hier: http://www.hausunterricht.org/html/sozialisation.html (kein Hyperlink, kursiver Text von da) )
Ein wichtiger Aspekt in der kindlichen Entwicklung ist die soziale Kompetenz.
Wenn Sie sich für das Lernen zu Hause interessieren oder es bereits selbst praktizieren, ist es sehr wahrscheinlich dass Sie auf den Punkt der Sozialisation angesprochen und besorgt gefragt werden, ob Kinder, die zu Hause unterrichtet werden nicht einen gravierenden Nachteil haben, weil sie mehr Zeit als andere Kinder mit ihren Familien statt mit Gleichaltrigen verbringen.
Dabei gilt es als ein unumstössliches gesellschaftliches Dogma, dass Kinder möglichst viel Zeit und Umgang in Gruppen Gleichaltriger verbringen müssen, um soziale Fähigkeiten zu erlernen.
Gleichzeitig wird jedoch von verschiedensten Seiten eine fehlende Primärsozialisation und ein zunehmender Werteverfall beklagt. Fast jede Woche ist von Gewalt gegen Schüler und Lehrer an öffentlichen Schulen zu lesen. Mobbing und Aggressivität der Schüler untereinander nehmen erschreckend zu.
Folgt man der Meinung der Bildungspolitiker und der Gerichte, so müssten die Schulen eigentlich aber voll von rücksichtsvollen, höflichen und gut sozialisierten Menschen sein, da angeblich nur dort eine optimale Sozialisierung gewährleistet sei.
Die Realität sieht allerdings ein wenig anders aus. Die Gewaltexzesse an der Berliner Rütlischule sind nur die Spitze eines Eisberges.
Der kanadische Psychologe Dr. Gordon Neufeld hat in seinem wegweisenden Buch “Unsere Kinder brauchen uns” nachgewiesen, dass die Orientierung der Kinder an Gleichaltrigen ein verhängnisvoller Irrweg ist. Gleichaltrigenorientierung meint, dass Kinder und Jugendliche ihre Identität, ihre Werte und Verhaltenscodes zunehmend von unreifen Gleichaltrigen beziehen, statt von Eltern und gereiften erwachsenen Persönlichkeiten. Die Gleichaltrigensozialisation zerstört den familiären Zusammenhalt, blockiert die Entwicklung zu wahrer Eigenständigkeit, vergiftet die Atmosphäre in den Schulen und fördert eine aggressive und sexualisierte Jugendkultur.
Besser könnte ich es auch nicht ausdrücken geschweige denn zusammenfassen. Genauso empfinde und beobachte ich es. Kinder- und Jugendlichenbanden, die elternlos, ziellos durch die Städte ziehen, sich in Parks und an Tankstellen treffen, eine Haltung der Verachtung für alles Elterliche und Machtausübende kultivieren, mitten am Tag im Park Pot rauchen, jüngere Kinder ängstigen und terrorisieren, randalieren (Autos zerkratzen, Türen eintreten), stehlen, von Autobahnbrücken Steine auf Autos werfen, im Extremfall Amok laufen usw. ...

Schulpflicht - nein. Ich halte es für überholt. Sogar mit Anwesenheitspflicht - als staatliche Verwahranstalt für Kinder, um sie von der Straße (und aus den Familien) zu holen und mit den eigenen Zielen und Doktrinen zu impfen. Es ist wirklich kein Wunder, daß die wirtschaftlich starke Elite Deutschlands ihre Kinder in Privatschulen und Schulinternate gibt, wo sie zumindest teilweise Kontrolle über Lehrmethoden, Lehrstoff und Sozialisation ihrer Kinder haben.
Bildungspflicht - eher. Das wäre endlich mal zeitgemäß. Es sollte egal sein, woher und wie man seine Bildung bezieht, solange sie einen befähigt, eine Ausbildung oder ein Hochschulstudium anzutreten. Oder aber völliger Verzicht auf Bildungspflicht im Rahmen der Bildungsfreiheit - Bildungsfreiheit beinhaltet auch die Freiheit, sich und seine Kinder nicht nach staatlichen Vorgaben zu bilden. Wer eben von sich aus keine Bildung will - bekommt eben keine. Ein klarer Fall von selbst schuld. Ich bin absolut nicht dafür, irgendwelche unwilligen Leute zu ihrem Glück oder Bildungsabschluß zu zwingen.

Ich will nicht soweit gehen, wie die Macher der Website hausuntericht.org, und fragen, inwiefern Schulpflicht mit einer Demokratie vereinbar sei (ich verstehe die Frage selbst nicht ganz), aber ich finde, der Zusammenhang Schulpflicht/Demokratie gehört dringend hinterfragt - erst recht vor dem Hintergrund der unwürdigen Behandlung einer Familie, die für ihre Kinder die Bildungsfreiheit in Anspruch nahm, die Schulpflicht ablehnte und ihre Kinder zuhause unterrichtete.

Nachdenklich, Sathiya

Donnerstag, 5. September 2013

Balance

Die Balance halten - das machen uns diese Steine vor.


Heute am Rhein Nähe Biebricher Schloß gesehen. Die Steine halten vollkommen aus eigener Kraft und Masse, ohne Hilfsmittel, Zement, Kleber oder Keile.
Ich war ungläubig, konnte ich mir doch nicht vorstellen, daß diese Steine in den uns absurd und unmöglich erscheinenden Positionen ohne Hilfsmittel stabil stehen und weder wanken noch umstürzen - und doch ist es so.
Die schiere Masse der Steine und die Erdanziehungskraft machen es möglich - und ein paar findige Menschen, die die Steine aufeinanderstapelten, sorgsam den gemeinsamen Schwerpunkt suchten und alles zusammen ins Gleichgewicht brachten.
Zum Staunen - und möglicherweise auch Nachmachen?



Eines der Balance-Wunder ist uns eingestürzt (wir ungläubigen Menschen - müssen immer alles anfassen, um es glauben zu können!!), und wir haben Minuten damit verbracht, die drei Steine wieder aufeinanderzuschichten und ins Gleichgewicht zu bringen. Die Steine waren echt schwer (schwerer als sie aussahen), und es war nicht besonders leicht, ein gemeinsames stabiles Gleichgewicht zu finden, ohne daß uns der eine oder andere die Füße zerschmettert hätte. Doch wir haben es geschafft! :-) Und sie stehen noch.

Eine lebendige Metapher auf unser Leben - es braucht kaum Anstrengung und nur wenig Zeit, etwas aus dem Gleichgewicht zu bringen. Doch es wieder zu richten, dauert lange, kostet Zeit, Nerven und Anstrengung. Und es gibt mehr Mißerfolge als Erfolge - und machmal stürzt auch alles wieder in sich zusammen.

Nachdenklich, mit besten Grüßen, Sathiya

Text und Bilder von Sathiya 2

Sonntag, 1. September 2013

Intermittierendes Essen - sechs Wochen und Ende

Das war es erst einmal - sechs Wochen lang intermittierendes Essen.
Nach meiner letztwöchigen Euphorie über abwesende Kopfschmerzen und niedrigen Blutdruck kam beides geballt zurück und bewog mich, damit vorerst aufzuhören, auch auf Anraten eines Arztes, der mir katabolen Stoffwechsel bescheinigte und damit einhergehende Streßsymptome erklärte wie Gliederschmerzen, Kopfschmerzattacken, Schwindel und einen krankenhausreifen Hypertonus (und der war heftig - 200/120 mmHg). (Vielleicht hatte ich auch noch eine Kaffee-Intoxikation erlitten - den Kaffee habe ich auch erst mal auf meine Schwarze Liste gesetzt. ;-) )

Ich habe nachgedacht und recherchiert - wieviel Tage genau überlebt ein Mensch ohne Nahrung? Und müssen diese Tage aneinanderhängen oder können sie auch durch Eß-Tage getrennt sein? Wikipedia nennt dazu Schätzzahlen von 30 bis 200 Tagen, was mir ziemlich willkürlich vorkommt, und wohl auch extrem von Körpergewicht, Ernährungs- und Gesundheitszustand, Umgebung und Klima, zusätzlich gegebenen Vitaminen und Mineralstoffen und noch x weiteren Faktoren abhängt.
Ob diese Hungertage aneinanderhängen müssen oder nicht, um gemeinsam gezählt zu werden, dazu gibt es keine Angaben - aber ein großer Teil der Weltbevölkerung ist unterernährt, und das liegt unter Garantie daran, daß sie durchschnittlich jeden Tag weniger als die tatsächlich benötigte Energie aufnehmen können, und unfreiwillig einen Tag essen und einen Tag nicht essen, ohne irgendwelche körperlichen Reserven zu haben. Benötigte Energiemenge pro Tag verteilt auf beispielsweise zwei Tage ergibt auf die Dauer eine Unterversorgung und damit Unterernährung.

Meine Theorie ist, daß jeder ohne weiteres 20 Tage ohne energiehaltige Nahrung auskommen kann, bevor ernste Schäden durch katabolen Stoffwechsel auftreten, die nicht mehr reversibel sind.
Ich habe 22 Tage nicht gegessen, was mir erst einmal reicht. Körperlich, geistig und seelisch. Da ich keinen Hungerstreik führe, noch nicht einmal gegen mich selbst, lasse ich es erst mal gut sein. ;-)

Ansonsten: nach wie vor empfehlenswert, trotz meiner eigenen nicht so guten Schlußerfahrung.
Man sollte nur an den Eßtagen mehr essen, deutlich mehr. Ich befand mich in den letzten Wochen eher in einem fortgesetzten Fasten-Modus und habe nicht mehr richtig gegessen, nicht genügend getrunken und vor allem zuviel Kaffee gehabt (großer Fehler, ich halte ihn mittlerweile für den Haupt-Übeltäter). Ich erhole mich mindestens ein oder zwei Wochen davon, und beginne dann vielleicht noch einmal von neuem mit "einen Tag essen, einen Tag nicht essen". Trotz allem. ;-)

Beste Grüße, Sathiya